Projektmanagement
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Innovatives Bauwesen (?)

Foto/Bild von KMJ & Edokter

[Achtung: dieser Beitrag ist lang, wirkt ein bisschen wie science-fiction, ist bewusst überspitzt und polemisch formuliert, um zu polarisieren und an-/aufzuregen!]
Die Baubranche ist nicht unbedingt für ihre Veränderungsfreudigkeit bekannt. Vielmehr haftet an ihr eher ein konservatives Image. Dies bestätigt auch, wenn man ehrlich ist, ein rascher Blick in diverse Fachmagazine. Die Innovationen, über die berichtet wird, beschränken sich meist auf neu modifizierte Baustoffe und Baumaschinen, sowie Software für den Einsatz bei Bauprojekten. Das mag jetzt vielleicht polemisch anmuten, ist aber bei genauerer Betrachtung insbesondere im Hinblick auf den Einsatz neuer Kommunikationstechnologien in der Baubranche meiner Meinung nach berechtigt.

Gerade bei modernen, webunterstützten Kommunikationstechnologien hinkt die Baubranche hinterher. Zwar wird die eMail nahezu flächendeckend eingesetzt, hat aber eigentlich nur Brief und Fax als Kommunkationsmedium abgelöst. Neben einem Bisschen FTP und WWW war’s das dann auch schon mit dem Webtechnologie-Nutzen bei Bauprojekten, was die Vielzahl an so genannten Projektkommunikationsplattformen zum online-Speichern von Projektdaten unterstreicht. Client-Server-basierte Software für Microsoft Windows, die zum Beispiel via Citrix, VPN und Co. einen Zugriff auf einen Fileserver erlaubt, ist heute eigentlich computer- bzw. webtechnologische Steinzeit!

Die Bauprojektabwicklung würde um ein Vielfaches effizienter ablaufen, wenn wir dabei echte Online-Collaboration am neuesten Stand der Webtechnologie betreiben würden. Gerade bei oftmals stark dezentralen Teams in der Planungsphase (der Architekt hat zum Beispiel sein Büro in Berlin, der Gebäudtechnikplaner arbeitet von Graz aus und der Statiker kommt aus Holland) wäre das ein großer Vorteil. Dadurch könnte nicht nur die gemeinsame Arbeit an Plänen, Berechnungen und sonstigen Projektdokumenten einfacher und auch rascher erfolgen, sondern es reduzieren sich zum Beispiel Reisekosten (und somit der mit dem Reisen verbundene CO2-Ausstoß, was wiederum einen positiven Effekt auf die Umwelt hätte). Ich möchte hier nicht propagieren, dass man ein Bauprojekt rein virtuell abwickeln kann. Es wird auch weiterhin erforderlich sein, dass Abstimmungsarbeiten face-to-face stattfinden müssen. Aber stellen Sie sich vor, es gäbe ein webbasiertes Online-Werkzeug, mit dem Architekten, Gebäudetechnikplaner, Statiker, Bauphysiker usw. gemeinsam an einem virtuellen Gebäudemodell arbeiten. Und das nicht nur dreidimensional, sondern vier-, fünf- und sechsdimensional mit hinterlegten Materialien, Kosten, Terminen, etc. Die tägliche Kommunikation zwischen den Planern liefe über ein integriertes Videokonferenzsystem (vergleichbar mit Skype), diverse Ideen und Wünsche des Bauherren und der Nutzer würden über eine Twitter-ähnliche Projekt-Timeline in den Planungsprozess eingespeist und in einem Projekt-Blog werden die zentralen Entscheidungen zu technischen Systemen, Nutzerwünschen udgl. mehr dokumentiert. Später in der Ausführungsphase wäre es denkbar, dass von der Örtlichen Bauaufsicht auf der Baustelle festgestellte Abweichungen oder Mängel direkt vom Mobiltelefon als Foto samt GPS-Koordinaten im virtuellen Gebäudemodell verortet und über eine Kommunikationsschnittstelle den betroffenen Baufirmen und/oder Planern umgehend mitgeteilt werden. Auch wenn das jetzt ein wenig wie science-fiction klingt, ist das mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln bereits umsetzbar. Nur die Produkte dazu fehlen, weil alle Softwarehersteller noch immer (fast) ausschließlich in Richtung der klassischen Client-Server-Software weiter entwickeln. Und das ist meiner Meinung nach genau die falsche Richtung, denn dort gibt es nichts wirklich Innovatives mehr zu holen. Dort unterscheiden sich neue Softwareversionen nur noch in den Farben Ihrer Icons und der Anordnung ihrer Menüpunkte.

Es müsste schon ein radikales Umdenken einsetzen, damit die Bauprojektabwicklung und damit die ganze Branche wirklich effizienter wird. Das betrifft dann aber nicht nur die soeben erwähnte Online-Collaboration, sondern geht in Wahrheit viel weiter. Da gilt es dann von den Beschaffungsprozessen für Dienst- und Bauleistungen angefangen, bis hin zu Bauweisen und Materialien im Sinne der echten Nachhaltigkeit (ich meine nicht nur Dämmstoffe und Passivhäuser) die Planung und Realisierung von Bauprojekten neu zu denken. Viele Themenbereiche, wie beispielsweise Kybernetik und Logistik haben einen wesentlichen Einfluss auf die Bauprojektabwicklung und müssen deutlich intensiver integriert werden. Man muss sich von der Denkweise „das ist gut, denn das haben wir schon immer so gemacht“ lösen und beginnen, Thema für Thema neu zu denken. Mit der in diesem Beitrag erwähnten Online-Collaboration könnte man zum Beispiel starten. Damit ergäbe sich genügend Substrat für Innovationen, die die Branche revolutionieren und schlussendlich auch für echte Nachhaltigkeit in der Bauprojektabwicklung.

Blogparade Innovation

Weitere Beiträge im Rahmen der Blogparade zum Thema Innovation:

  • Stefan Hagen: Was zeichnet ein innovatives Unternehmen aus?
  • Heinz Peter Wallner: Innovation. Dem Dickicht der Zwergenwelt entfliehen?
  • Cornelia Daniel: Gesellschaftsfreundliche Produkte als Innovationsmotoren
  • Jörg Liemandt: Was ist eigentlich an Innovation so toll?
  • Hannes Offenbacher: Innovation? Nicht labern, machen!
  • Marcus Ambrosch: Zukunft, Innovation von Menschen, Management und Organisationen
  • Diana Ljubic: Innovation
  • Stefan Mey: Thema verfehlt
  • Franz Kühmayer: Der Wendepunkt
  • 14 Kommentare

    1. Sehr netter, wahrer Artikel, der für mich weniger nach Science Fiction als nach Idealvorstellung klingt. Bei großen Projekten ist man (zum Glück) teilweise eh schon gezwungen neue Technologien zu nutzen, aber die Akzeptanz lässt nur zu oft sehr zu wünschen über. Oft verwendet man dann zwar virtuelle Projekträume, aber ist denen im Vorhinein schon so negativ gesinnt, dass man vor lauter Inakzeptanz deren Vorteile nicht erkennt oder erkennen möchte.
      Aber seien wir mal ehrlich, es stoßen sich noch immer viele den Kopf alleine am Wort „Projektmanagement“, denn „früher ist es auch ohne gegangen“…
      Bis es zu einer effizienten Bauprojektabwicklung, in der man sich der aktuellen Technologien bedient, kommt, ist es noch ein steiniger Weg.

    2. LLCollG sagt

      Schließe mich der Meinung von Tanja an, es handelt sich hierbei um einen Idealzustand der jedoch aus heutiger Sicht viel Entwicklungspotential aufweist.

      Die Weichen für diese Entwicklung wurden allerdings bereits gestellt und erste Projekte werden bereits auf Basis von Teilen dieser „Fiktion“ umgesetzt:
      http://www.hochtief.de/hochtief/1018.jhtml

      Hierbei dient zwar ein 3D / 4D -Modell als Ausgangsbasis, lässt für die weiteren Dimensionen vielfältige Möglichkeiten offen indem man die Arbeitspakete mit entsprechenden Informationen wie z.B.: Termine, Dauern, Abhängigkeiten, Budgets, Massen, Kostengruppen, Kosten, Verantwortliche, Gewerke und unterstützt Projektphasen-übergreifend folgende Anwendungen: Mengenermittlung, Bauwerksinformationssystem, Bauablaufplanung / Bauleistungskontrollen, Projektbesprechungen, Koordination von Gewerken etc.

    3. Manchmal beschleicht mich das ungute Gefühl, dass solche Visionen von manchen aktiv behindert werden. Die skizzierte Vorgehensweise würde unter anderem Transparenz schaffen, die vielleicht gar nicht immer gewollt ist.

    4. Hallo zusammen und vielen Dank für Eure Kommentare und vor allem die vielen Verlinkungen 😉

      Zum ViCon-Modell von Hochtief möchte ich anmerken, dass das ein interessanter Ansatz ist, aber m.E. eher den Anschein eines Marketing-Instruments für einen Baukonzern hat. Zudem ist die 4D-Planung ja bereits ein alter Hut aus den 1990er-Jahren und an sich nichts Neues. Lediglich deren Umsetzung/Anwendung aus computertechnischer Sicht bietet hier echtes Innovationspotential. Das kann ich allerdings auf der Webseite nicht erkennen. Es bleibt unklar, welche Technologien dieser Ansatz nutzt und ob es sich dabei um eine webbasierte Plattform zur online-Collaboration handelt. So wie die Beschreibung von ViCon „klingt“, ließen sich Webtechnologien sicher jederzeit integrieren, um das Produkt dann richtig innovativ zu machen und auch auf einen zumindest aktuellen technologischen Stand zu bringen …

      Die Anmerkung von Eberhard Huber hinsichtlich der Transparenz, die solche System erzeugen könnten, teile ich. Dies würde aber zunächst die Entwicklung eines solchen Systems per se nicht wirklich behindern …

    5. Der Beitrag stellt einige Sachen wirklich sehr gut da. Klar kommt es einem an manchen Stellen sehr überspitzt vor, aber ich denke, dass ist pure Absicht um den Leser wach zu rütteln.

      Gerne mehr davon1

    6. Martin Biermann sagt

      [Achtung: steht bei mir am Schluß]

      Innovatives Bauwesen (?)
      = Die Zukunft ist digital.
      – oder Letzter Absatz:Es müsste schon ein radikales Umdenken….. =
      „Zurück zu den Wurzeln um dann mit den Möglichkeiten des 21zigsten Jahrhunderts wieder voll Gas zu geben!“

      Nur das bisher Geschriebene ist für mich zu klein gedacht. Allein von Dienstleistungen kann die Menschheit nicht leben! Anstatt sich der eigentlichen Arbeit (und das sind nun mal die Arbeitsweisen der Bauarbeiter) zu widmen, sucht man/frau nur das Heil in der „New Economy“, des Risikomanagements usw.!

      Im deutschsprachigen Raum bedeutet Bauen, Heute: ?! = Margen von Max 4%, bern – tausende bauarbeiter auf der strasse und vor allem: Mein Anwalt….!

      Wie war das Bauen den früher?:
      Auch nicht nur besser/schöner/leichter aber das Bauen war = MEHR GELD als WOANDERS und Lust, Spaß, IT=?, Baulöwe = Zigarre u. dicker Benz aus dem Nichts, Maurer = Akkord, Eckenmaurer = kl. König, Polier = Feldmarschall der Baustelle und Architekt/Statiker… = Grundsteinlegung, Richtfest, Einweihung – und warum? Stand doch alles in den Zeichnungen –> ansonsten wurde nicht gebaut!
      Und heute, man stelle sich vor die Bauleitung könnte direkt zugreifen auf DAS, was die „planer/rechner“ gerade, erst jetzt, so „herstellen“? Helfen würde das sicherlich aber nur den unteren Ebenen. Deren Chefs würden „Feuer und Galle“ spucken sollten sie davon erfahren – weil: Den Bauherren müsste endlich das Licht aufgehen, warum das Bauen, heute so arch (“i-“)aisch ist (Ausnahmen bestätigen die Regel)! Die Lösung für die Planung der Planung bringt aber auch nur ca. 4-6% mehr.
      Ok, im/am durch den Bau ist 10% schon eine Hausnummer! Aber viel zu wenig, als in dem Vorbild von dem – Chinesen bauen ein 15 stöckiges Hotel in sechs Tagen (YouTube) – nachweisbar erreicht wurde.

      UND NUN, lasst euch überrollen oder fangt ganz unten mit den Möglichkeiten des 21jahrunderts an = eigentlich ganz einfach – Problemlösungen mit ganzheitlichem Denken!
      MfG MB
      Achtung: PS: – glaubt ihr eine Marge von über 20% (im Kerngeschäft und sogar beim Pilotprojekt) würde jemanden in d-s-R. (innerhalb von mehr als 10 Jahren) interessieren? Nö, sowas interessiert nur die Bauherren im Bauparadies auf Erden. Ein Schelm der Böses dabei denkt! Weil, im Paradies gilt das Projekt und nicht der Name des Projektentwicklers!

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