Projektmanagement
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Was ist eigentlich ein Projekt?

Das sollte doch klar sein, oder? Möchte man zumindest meinen, denn die jüngste Definition des Begriffs Projekt im ProjektMagazin.de wirft einige als beantwortet geglaubte Fragen wieder auf – oder war es nur der Staub der Zeit, der die offenen Fragen als scheinbar beantwortet erscheinen ließ?

Unter Projektmanagement Kompakt, das einen „schnellen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Projektmanagements“ geben soll, wird das Projekt nun wie folgt definiert:
Ein Projekt ist ein einmaliger Geschäftsprozess, der von der Geschäftsführung anhand eines Business Cases genehmigt wird, von einer temporären Organisationseinheit gemanagt wird, ein spezifiziertes Werk erstellt und dieses zu einem definierten Termin und zu vorgegebenen Kosten zur Abnahme an einen Kunden liefert.

Aber wie passen nun Bauvorhaben in diese Definition? Und sind demnach Bauvorhaben auch wirklich Projekte?Nein, denn nach der obigen Definition wären Bauvorhaben eigentlich keine Projekte, weil Bauvorhaben per se kein einmaliger Geschäftsprozess sind. Es gibt im Wesentlichen ein klassiches, in unseren Breitengraden akzeptiertes Vorgehens- bzw. Phasenmodell, das für die Abwicklung eines Bauvorhabens quasi den Geschäftsprozess darstellt und grob skizziert aus

  • Projektvorbereitung,
  • Planung mit Vorentwurf, Entwurf und Genehmigungsplanung,
  • Ausführungsvorbereitung mit bauvorbereitender Ausführungsplanung, Erstellung der Leistungsverzeichnisse und Beschaffung der Bauleistungen,
  • Ausführung (dem Bau an sich) und
  • Projektabschluss mit abschließender Dokumentation, Kostenfeststellung, etc.

besteht.

Zudem wird man bei einem Bauvorhaben einen von einer Geschäftsführung anhand eines Business Cases genehmigten Geschäftsprozess auch nicht immer vorfinden. Als Beispiel sei an dieser Stelle der private Einfamilienhaus-Bauherr genannt. Aber selbst institutionelle Bauherren (z.B. Immobilienprojektentwickler) setzen ihren Geschäftsprozess nicht bei jedem Bauvorhaben neu und einmalig auf resp. lassen diesen dann von der Geschäftsführung anhand eines Business Cases absegnen.

Unbestritten sind Bauvorhaben gem. der obigen Definition natürlich spezifizierte Werke, die zu einem hoffentlich vorher definierten Termin und ebenso hoffentlich zuvor vorgegebenen Kosten errichtet werden. Es gibt jedoch auch hier Ausnahmefälle, bei denen weder Zeit noch Geld eine gewichtige Rolle spielen, dafür sind dann meist jedoch andere Ziele mit dem Bauvorhaben zu erfüllen.

Dass Bauvorhaben von einer temporären Organisationseinheit gemanagt werden, hat hier auch keinen allgemein gültigen Anspruch. Gerade institutionelle Bauherren, die ihre ganze Unternehmensstruktur auf die Entwicklung und die Abwicklung von Bauvorhaben, sowie die Vermarktung bzw. den Betrieb der fertig gestellten Objekte ausgerichtet haben, können nicht als temporäre Organisationseinheiten bezeichnet werden. Lediglich die Teams an Planeren und Sonderfachleuten, oder die bauausführenden Unternehmen sind an einem Bauvorhaben temporär beschäftigt – die einen während der gesamten Vorhabensdauer, die anderen nur in einzelnen Phasen. Auch bauausführende Unternehmen, mit ihren eigenen Geschäftsprozessen für die Ausführung von Bauvorhaben, werden meist nicht nur temporäre Organisationseinheiten bilden, um das Bauvorhaben nach den Plänen des Bauherren zu errichten.
Und schließlich kann durchaus bei einem Bauvorhaben der Bauherr selbst auch der Kunde sein.

Somit sind im Falle eines Bauvorhabens von den sieben charakteristischen Elementen der obigen Projekt-Definition vier nicht oder nur zum Teil erfüllt und wären demnach Bauvorhaben keine Projekte (mehr).

Dem gegenüber stehen jedoch einige andere Projekt-Definitionen, nach denen auch Bauvorhaben Projekte sind. Denn zum Beispiel frei nach Patzak / Rattay sind Projekte einmalige, zeitlich begrenzte, komplexe Vorhaben mit einer hohen Ausprägung der Merkmale „neuartig, zielorientiert, komplex/dynamisch, interdisziplinär/fachübergreifend, bedeutend„. Ein Bauvorhaben, das stets eine Unikatfertigung darstellt, erfüllt diese Definitionsmerkmale eines Projektes allesamt.

3 Kommentare

  1. Hallo Thomas,

    bezüglich des einmaligen Geschäftsprozess könnte man Deine Argumentation genauso auf IT-Dienstleister übertragen: die bauen auch ganze Organisationen (mein voriger Arbeitgeber hatte über 3.000 Mitarbeiter) auf mit dem Zweck IT-Projekte für Kunden durchzuführen. Für solche Firmen ist das Projekt der Regelprozess und nicht die Ausnahme. Nicht ganz so für den Auftraggeber eines IT-Projekts, z.B. einem Automobilhersteller, für den ist es nicht ganz die Regel, aber auch nicht einmalig, denn auch dort finden sich ganze Organisationseinheiten dafür. Die Rede vom einmaligen Geschäftsprozess finde ich daher missglückt.

    Herzliche Grüße,
    Marcus

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