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I BIM’s

Bim ist nicht nur die in der Österreichischen Umgangssprache verniedlichte Kurzform für Straßenbahn, sondern auch das Schlagwort für die digitale Transformation der Baubranche. Das Kürzel steht für Building Information Modeling und das ist eine mehrdimensionale, digitale Technologie, die angeblich die Zusammenarbeit in der Baubranche und die herkömmlichen Planungsmethoden revolutionieren wird. Aber steckt tatsächlich mehr dahinter, als bloß ein Verkaufsschmäh für den sprichwörtlich alten Wein in neuen Schläuchen?  

BIM steht für Building Information Modeling und das ist eine Methode zur digitalen Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken. Dabei wird das Bauwerk als digitales, virtuelles Modell dreidimensional visualisiert und mit allen relevanten Bauwerksdaten modelliert. So können beispielsweise Kosten, Termine, aber auch Wartungs- und Betriebsdaten im digitalen Bauwerksmodell gespeichert werden.

Im angloamerikanischen und im skandinavischen Raum ist die Vergabe öffentlicher Planungs- und Bauaufträge mit mehrdimensionalen, digitalen Gebäudemodellen nach der BIM-Methode schon seit einiger Zeit üblich. Die aktuellen EU-Vergaberichtlinien 2014 (siehe z.B. Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 22, Abs. 4) ermöglichen dem öffentlichen Auftraggeber die Anwendung von elektronischen Instrumenten zur Gebäudedatenmodellierung. Im drauf aufbauenden Ministerialentwurf des neuen Österreichischen Bundesvergabegesetzes 2017 (das angeblich im Herbst 2018 erscheint) ist davon allerdings nichts zu lesen. Dennoch wird derzeit auch in Österreich schon eine erkleckliche Anzahl von Projekten mit BIM geplant. Das wird sich in absehbarer Zeit noch verstärken und auch auf die Bauausführung ausweiten. Deshalb ist BIM hierzulande mittlerweile seit ein paar Jahren in aller Munde. Es gibt einige spannende Forschungsinitiativen wie beispielsweise das freeBIM-Forschungsprojekt in Tirol, das unlängst mit der zweiten Phase und neuen Partnern gestartet ist. Und seit 2015 gibt es eine BIM-Norm. Die zweiteilige Ö-Norm A 6241 beschreibt für Level 2- und Level 3-BIM-Modelle CAD-Datenstrukturen, Schnittstellen, Modellierungsgrundlagen bis hin zu genormten Dateinamen, Layerstrukturen und beispielhaften BIM-Workflows. Kurse und Weiterbildungsangebote, mit denen man sich zum BIM-Manager ausbilden lassen kann, sprießen wie die sprichwörtlichen Schwammerl aus dem Boden. Es scheint so, als wäre alles bestens für den erfolgreichen Einsatz von BIM vorbereitet bzw. zumindest in Arbeit. Diesen Eindruck vermitteln auch diverse als Werbeanzeigen getarnte Zeitungsartikel über Ingenieurbüros, die BIM für sich und ihre Auftraggeber entdeckt haben wollen und sogar eMail-Signaturen. So bekam ich neulich in einer eMail den reißerischen Slogan „We are ready for your BIM-projects!“ zu lesen und fragte mich postwendend, ob das auch tatsächlich so sein kann? Reicht es schon, quasi „Hallo, i BIM’s!“ in die Welt zu posaunen (das war übrigens auch das Jugendwort des Jahres 2017), eine geeignete Software zu kennen, zwei Normen zu lesen und vielleicht noch ein Buch? Natürlich nicht!

In BIM schlummert ungeheures Potential. Das kann aber niemals auch nur annähernd ausgeschöpft werden, solange versucht wird, die Möglichkeiten, die BIM bietet, auf den herkömmlichen Prozess insbesondere in der Planung – also der Produktentwicklung eines Bauwerks – anzupassen. Das wäre vergleichbar mit einem Rennwagen, den man nur im ersten Gang spazieren fährt, weil die Straßen auf denen man damit unterwegs ist, keine höhere Geschwindigkeit bzw. Drehzahl zulassen.
Bei der Anwendung von BIM – und zwar von Level 3 BIM (alles andere klingt wie die Degradierung von BIM zu einer anderen Form der Kollisionsplanung) – stösst man mit der klassischen Herangehensweise und den sequentiell ablaufenden Leistungsphasen vom Vorentwurf über den Entwurf und die Einreich-/Genehmigungsplanung bis hin zur Ausführungs-/Detailplanung an die Grenzen. Bei der Entwicklung von virtuellen Gebäudemodellen darf man so nicht mehr denken. Es braucht dafür andere Herangehensweisen. Alles nichts Neues, denn Ideen zu agilen Vorgehensmodellen für die Planung von Bauprojekten gibt es schon. Der integrale Planungsprozess, stark angereichert mit agilen Elementen, wäre für den Einsatz von BIM ideal. Es erscheint sinnvoller, ein Gebäude vorher virtuell so zu planen, wie es später auf der Baustelle dann auch errichtet wird. Also vom Rohbau über die technische Gebäudeausrüstung, die Gebäudehülle zum (Innen)Ausbau und danach Außenanlagen und Einrichtung. Das Gebäude wird vorher quasi im virtuellen 1:1-Modellversuch gebaut. Aber eben nicht vier mal hintereinander in unterschiedlichen Detaillierungsstufen, sondern nur noch einmal in einem interdisziplinären und agil-integrierten Planungsprozess – eine ai-Planung sozusagen, denn integrale Planung mit herkömmlichen Leistungsphasen war gestern.

Ein kapitaler Fehler wäre es auch, in BIM einen Beschleunigungsmechanismus für die Planung zu sehen. Schon Gamerith schrieb dazu vor Jahren in seinem Buch „100 + 1 Hochbauerkenntnisse“: „Von Alters her gut Ding braucht Weile, darum beim Planen niemals Eile.“. Mit BIM wird man nicht schneller planen können, aber genauer, besser und effektiver! BIM bietet die Möglichkeit, ein realitätsnahes virtuelles Gebäudemodell zu entwickeln. Quasi das digitale 1:1-Modell des späteren Bauwerks (siehe auch oben). Reichert man nun in der Planung dieses virtuelle Gebäudemodell mit allen erdenklichen Daten zu Materialien, Kosten, Terminen, etc. an, dann entstehen nicht nur mehr technische Planungssicherheit, sondern auch eine höhere Kosten- und Terminsicherheit. Bis allerdings alle Leistungsverzeichnisse auf Knopfdruck auch aus dem digitalen Gebäudemodell sprudeln, ist sehr viel Handarbeit am virtuellen Gebäudemodell notwendig. Es wird dafür natürlich im Einzelfall zu beurteilen sein, wo man hier die Grenzen in der erforderlichen Genauigkeit zieht. In der Theorie ist es jedenfalls möglich, Leistungsverzeichnisse sämtlicher Gewerke (also auch jene für Fliesenlegearbeiten, Schlosserarbeiten oder Bautischlerarbeiten) samt Massenermittlungen und zugehörigen Ausführungsterminplänen aus dem virtuellen Gebäudemodell zu ziehen.
Denkbar wäre es auch, direkt im virtuellen Gebäudemodell eine Nachhaltigkeitsdokumentation aufzubauen, mit der eine automatisierte Kriterienprüfung beispielsweise nach DGNB– oder ÖGNI-Standard auf Knopfdruck zur Verfügung steht. Damit wären stichtagsbezogene, planungsbegleitende Pre-Checks möglich, über die das aktuelle Zwischenergebnis über den Zertifizierungserfolg abgerufen werden kann. Selbstredend, dass sich LCC und LCA über das virtuelle Gebäudemodell automatisiert aktualisieren lassen.

Aber richtig spannend wird’s dann, wenn das virtuelle Gebäudemodell nicht nur für die an der Planung beteiligten Architekten und Ingenieure zur Verfügung gestellt wird, sondern im Genehmigungsprozess auch Behörden darauf zugreifen, in der Ausführungsvorbereitungs- und Ausführungsphase die bauausführenden Unternehmen und nach Fertigstellung schließlich das Facility Management. Wenn also alles von der Planung über die Ausführung und bis hinein in den Betrieb des Objektes dann mit diesem virtuellen Gebäudemodell abgedeckt werden kann und jeder Projektbeteiligte ebendort die vorher zu definierenden, erforderlichen Daten einpflegt. Level3-BIM nennt die Ö-Norm A 6241-2 diese Art des durchgängigen Gebäudemodells über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks. Damit bleibt das digitale, virtuelle 1:1-Modell des Bauwerks über die Planung, die Bauausführung und bis in den Objektbetrieb hinein aktuell – entspricht also spätestens in der Ausführungsphase einem as-built-Modell. Verknüpfungen beispielsweise mit der Gebäudeleittechnik lassen utopisch anmutende Phantasien über vollautomatisierte Störungsbehebung mittels Fernwartung oder automatisiertes Nachbestellen von Ersatzteilen entstehen. Voraussetzung dafür ist jedoch immer, dass die Daten im virtuellen Gebäudemodell gepflegt und auf aktuellem Stand gehalten werden.

Bis das eines Tages funktioniert und zur gängigen Praxis gehört, gibt es noch viel zu tun und zu klären. Neben einer Vielzahl an technischen Fragestellungen auch beispielsweise bauvertragliche Besonderheiten, die durch die Übernahme eines virtuellen Gebäudemodells für die Kalkulation des Angebots, die Arbeitsvorbereitung und die bauliche Umsetzung durch das bauausführenden Unternehmen entstehen. Oder wie die Abrechnung von Bauleistungen bei vollständiger Datenpflege im virtuellen Gebäudemodell über eben dieses as-built-Modell erfolgen kann und wer auf welche Weise für die Datenpflege verantwortlich ist.

BIM wird mit all diesen vorgenannten Themenstellungen in der Ausbildung von jungen Architekten und Ingenieuren und damit auch an den dafür zuständigen Bildungseinrichtungen eine immer zentralere Rolle spielen. Damit BIM als Werkzeug sinnvoll und methodisch richtig angewendet werden kann und somit eine nachhaltige Weiterentwicklung tatsächlich zu einer digitalen Transformation in der Baubranche führt. Bei letzter stehen wir noch ganz am Anfang in den Kinderschuhen. Das wird deutlich, wenn man sich vorstellt, wie eines Tages beispielsweise durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz Architekten und Ingenieure bei der Planung am virtuellen Gebäudemodell mit automatisierten Nachweisführungen in der Tragwerksplanung, der Bauphysik, der Termin- und Ablaufplanung, etc. unterstützt werden. Oder wenn in der Ausführungsphase Fertigungsroboter das virtuelle Gebäudemodell für die Produktion im Werk und auf der Baustelle nutzen.

Aber bei aller Begeisterung für die Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz digitaler Technologien erschließen, sollte man nicht vergessen, dass insbesondere bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten nach wie vor der Mensch im Zentrum steht. Schließlich dienen die geplanten und gebauten Behausungen und Infrastrukturbauwerke dem Menschen, auch wenn sie mit Unterstützung von Maschinen in naher Zukunft nicht mehr nur gebaut, sondern auch geplant und abgewickelt werden.

Artikelbild: “Flexity Tram” von Svartraven auf LEGO Ideas

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