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iPad quo vadis?

Zehn Jahre ist es her, als das erste iPad im April 2010 über den Ladentisch gewandert ist. Seither hat sich der Tablet-Computer meines Lieblingsobstlieferanten Apple von einem aufgeblasenen iPhone zu einem respektablen Computer gemausert. Wahre Quantensprünge in der Entwicklung des iPads waren die Einführung der Pro-Modellreihe mit Tastatur und Stift im Spetember 2015 zusammen mit iOS 9 und das erst gut ein halbes Jahr alte iPad OS mit seinem Update auf Versionsnummer 13.4 im März 2020. Aber hat das iPad Pro mittlerweile das Zeug zum Mac- bzw. PC-Ersatz im professionellen Bereich? Es folgt dazu ein Bericht über meinen mittlerweile fast zehnjährigen Selbstversuch und meine persönliche Gerätehistorie …

Steve Jobs präsentiert das iPad am 27.01.2010 (Foto: Matt Buchanan, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/" target="_blank" rel="noopener noreferrer">CC BY 2.0</a>)

Steve Jobs präsentiert das iPad am 27.01.2010 (Foto: Matt Buchanan, CC BY 2.0)

Im Sommer des Jahres 2010 habe ich mir das erste iPad gekauft. Damals hatte ich nur so ein vages Gefühl davon, was dieses Gerät einmal werden könnte. Auch weil das neuartige Tablet mit dem kleinen Bäuchlein auf der Rückseite damals irgendwie an ein stark vergrößertes iPhone erinnerte. In den ersten Werebespots wurde es als Überallhinmit-Computer zum Konsumieren von Webseiten, zum Lesen von Büchern und Zeitschriften, sowie für die Fotoverwaltung und das gelegentliche Mail-Tippen propagiert. Das war genau das, wonach ich gesucht hatte und begann, das iPad in meine Besprechungen und auf die Baustellen mitzunehmen. Natürlich gab es damals im App-Store noch kaum Software für den professionellen Bereich. Für meine Besprechungsprotokolle hatte ich mir in Numbers eine Tabelle mit mehreren Filtern zusammengebastelt, mit der ich während den Besprechungen mitschreiben konnte und dann im Büro nur noch ein bisschen editieren musste. Das brachte zwar einiges an Zeitersparnis, allerdings war das Tippen auf dem bauchigen Gerät mit der on-screen-Tastatur eine im wahrsten Sinne des Wortes wackelige Angelegenheit. Und so wurde das erste iPad nach einigen Monaten zu einem Couch-Computer degradiert. Gelegentlich nahm ich es als Notizbuchersatz zu Besprechungen mit. Die Einschränkungen durch das noch junge iOS und der Mangel an einsatzfähiger Software machten einen richtig produktiven Einsatz kaum möglich.

Mit dem iPad 3, das ab dem Sommer 2012 meinen Workflow und meine Tasche unterwegs erleichtern sollte, hatte ich auch nicht wesentlich mehr Erfolg. Das erste Retina-Display, das in diesem Gerät verbaut war, war so überzeugend, dass es lange Jahre mein bevorzugter Computer für die digitale Bildverwaltung geblieben ist.

Erst mit dem iPad Air 2 habe ich im Herbst 2015 einen erneuten Anlauf genommen, um mit dem iPad als MacBook-Ersatz unterwegs meine Arbeit zu erledigen. Zur selben Zeit kam auch das deutlich größere und leistungsfähigere iPad Pro auf den Markt. Aber es gab zum Markteintritt noch keine Tastatur mit deutschem Layout dafür und das Gerät war mir damals einfach zu groß. So fiel die Entscheidung auf das iPad Air 2. Und ich war begeistert. Gekoppelt an eine Bluetooth-Tastatur von Logitech war das Verfassen von Besprechungsprotokollen eine leichte Aufgabe. In meinen Lehrveranstaltungen machte das Gerät eine richtig gute Figur beim Abspielen von Präsentationen und als digitaler Tafel-Ersatz. Auch Kundenpräsentationen für iPROT waren mit dem iPad Air 2 stets ein Vergnügen. Das MacBook blieb immer öfter im Büro zurück.

Das nächste Upgrade folgte im Juni 2017, als Apple zur WWDC das kleine iPad Pro mit dem 10,5‘‘-Display vorstellte und umgehend auch auf den Markt brachte. Zusammen mit dem Apple Pencil und der Smart-Cover-Tastatur eröffnete dieses Gerät erneut neue Möglichkeiten und digitale Workflows. Beispielsweise wurde das Unterschreiben von Dokumenten oder das Anfertigen von handschriftlichen Notizen und Skizzen mit dem Stift auf eine intuitive Art und Weise radikal vereinfacht.

Seit Herbst 2018 verwende ich ein iPad Pro der 3. Generation mit einem 12,9‘‘-Display, dem Apple Pencil 2 und Smart Keyboard Folio. Dieses Gerät ist ganz nahe dran, an einem vollwertigen Mac- bzw. PC-Ersatz. Es ist leistungsstark, portabel und zuverlässig. Sogar BIM-Gebäudemodelle mit mehreren Gigabyte Datenvolumen lassen sich problemlos schnell und ohne Verzögerungen betrachten. Von der Leistungsfähigkeit und dem Design der Hardware ist es mehr als nur überzeugend. Aber so sehr ich das iPad Pro schätze und auch im beruflichen und privaten Alltag nutze, ich stoße damit immer wieder an Grenzen. Mitunter sind das Grenzen, die mit einer gewissen Portion Komfortverzicht überwunden werden können. Beispielsweise die Dateihandhabung. Mit dem Dateimanager, der in Form der Dateien-App seit iOS 11 verfügbar ist, lässt sich viel machen. Dennoch ist diese App kein vollwertiger Finder-Ersatz. Und aufgrund der limitierten Möglichkeiten in der Fensteranordnung fühlt sich die Dateihandhabung manchmal an, als würde man sich mit der rechten Hand über den Kopf am linken Ohr kratzen. Es ist umständlich und nicht so komfortabel wie am Mac oder am PC. Und dann gibt es Grenzen, die sind nicht zu überwinden. Beispielsweise über eine Remote-Desktop-Verbindung auf einem entfernten Windows-Rechner eine PDF-Datei erzeugen und diese dann im lokalen Dateisystem am iPad ablegen. Und zwar einfach per Drag&Drop und ohne diese Datei an sich selbst über den Remote-Rechner zu mailen, oder ähnliche Kunstgriffe. Auch der umgekehrte Weg ist nicht möglich. Vermutlich ist das der restriktiven Sicherheitspolitik und dem tief im Betriebssystem verwurzelten App-Sandboxing geschuldet. Schließlich kann man den Mac mit seinem im Vergleich zum iPad OS doch relativ offenen Betriebssystem wesentlich granularer einstellen und an die persönlichen Bedürfnisse anpassen. Und es gibt am Mac Software, die nicht immer zwingend aus dem App-Store kommen muss, sondern direkt beim Hersteller über das Internet bezogen und installiert werden kann. Eine weitere Einschränkung liegt in der Größe des iPad. Der verfügbare Bildschirmplatz macht das Bearbeiten von umfangreichen Tabellenwerken und größeren Terminplänen nicht gerade zu einem übersichtlichen Vergnügen. Sicher, für die rasche Anpassung unterwegs ist es ausreichend, aber für die vertiefte Arbeit im Büro ist ein größerer Bildschirm schon sehr hilfreich.

Aber Einschränkungen machen auch kreativ! So manche Desktop-Funktion lässt sich mit so genannten Shortcuts in der Kurzbefehle-App auf‘s iPad holen und dort vielleicht sogar komfortabler lösen. Und die erst vor wenigen Wochen mit iPad OS 13.4 hinzugekommene Unterstützung für externe Mäuse und Tackpads ist ein wahrer Genuss. An den wunderschönen Animationen, wenn man den runden Cursor über eine Textstelle bewegt, oder damit auf einer Schaltfläche landet kann ich mich gar nicht sattsehen. Und dann ist da noch dieses herrliche always on. Einfach nur das Display vom iPad antippen oder das Smart Keyboard Folio aufklappen und schon geht‘s los.

Zusammenfassend kann dem iPad attestiert werden, dass es sich in seinen ersten zehn Jahren zu einem richtig tollen Computer entwickelt hat. Kompromisslos im Design und in der Handhabung überzeugt es mit leistungsstarker Hardware für viele Anwendungsfälle auch im professionellen Bereich. Es hat nach seinen ersten zehn Jahren um ein Vielfaches mehr zu bieten, um damit richtig produktiv arbeiten zu können.
In meinem Arbeitsalltag verbringe ich (noch) ungefähr gleich viel Zeit am iPad Pro wie am Mac. Unterwegs nutze ich ausschließlich das iPad. Müsste ich mich allerdings zwischen einem iPad Pro und einem Mac als alleiniges und einziges Gerät für meine tägliche Arbeit entscheiden, dann müsste meine Wahl derzeit noch auf den Mac fallen. Aber zum Glück ist das eine rein hypothetische Frage. Und wer weiß, welche tollen neuen Funktionen Apple in das neue iPad OS 14 packen wird, das im kommenden Herbst erscheint. Das iPad ist mit seinem iPad OS jedenfalls auf einem guten Weg!

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