Fallschirme, bunte Fallschirme mit den Versionsnummern der neuen Betriebssysteme über dem Apple Park. So startet Apple in die WWDC 2024. Und so ein Sprung aus einem Flugzeug kostet schon Überwindung, was irgendwie dann doch eine gute Metapher für die diesjährige Keynote zur WWDC war. Aber sei’s drum, jetzt mit ein paar Tagen Zeitabstand zum Verarbeiten hier einige Gedanken zu den vorgestellten Veränderungen und Verbesserungen – die WWDC-Keynote 2024 keinesfalls chronologisch richtig und bestenfalls ausschnittsweise quasi im Rückspiegel betrachtet.
Dass auch heuer die Keynote zur WWDC – wie übrigens schon seit vier Jahren alle anderen Apple-Keynotes auch – als vorher aufgezeichneter und produzierter Film ausgestrahlt wurde, muss eigentlich gar nicht mehr gesondert erwähnt werden. Der Einstieg mit der Flugzeugszene und den bunten Fallschirmen war jedenfalls schon mal ganz witzig und meiner Meinung nach mit den selbstironischen Phil Schiller und Craig Federighi auch gut gelungen. Nach der Landung legte Tim Cook am Dach des Apple Park inszeniert zwischen Photovoltaik-Modulen umgehend mit einer Lobeshymne auf AppleTV+ los und kündigte im selben Atemzug neue Filme, Serien, sowie teils schon länger erwartete Fortsetzungen an. Viel Zeit wurde jedenfalls nicht damit verschwendet und es ging nach wenigen Minuten gleich direkt ans Eingemachte.
macOS 15
Sequoia wird die neue Version des Betriebssystems für den Mac heißen. Und da macOS 15 nach dem kalifornischen Küstenmammutbaum benannt wurde, hätte man durchaus etwas Größeres bzw. mehr als ein weiteres Service-Update erwarten können.
Die spannendste Neuerung in macOS 15 ist die Erweiterung der Continuity-Funktion. Damit ist es möglich, einen virtuellen Homescreen des iPhone auf den Mac zu zaubern und so das iPhone – so scheint es zumindest – vollständig vom Mac aus fernzusteuern. Ebenso bekommt man nun auf Wunsch alle Benachrichtigungen vom iPhone auch auf dem Mac. Generell war eine engere Verzahnung von iPhone und Mac auf Apples Prioritätenliste für macOS 15 offensichtlich ganz weit oben, was aus Nutzersicht jedenfalls sehr begrüßenswert ist.
Im Bereich Fenstermanagement hat sich Apple bei Apps wie Rectangle bedient und ermöglicht jetzt die Anordnung oder besser gesagt, das Tiling von App-Fenstern durch Schieben in eine Ecke oder an einen der Bildschirmränder.
Neu ist auch ein dedizierter Passwortmanager, der als eigene App mit den neuen Betriebssystemversionen am Mac und auch am iPhone bzw. iPad Einzug halten wird.
i(Pad)OS 18
Bei den beiden mobilen Betriebssystemen für iPhone und iPad tut sich in diesem Jahr recht wenig. Trotzdem gibt es ein paar interessante Details, wie etwa die Befreiung des Homescreens. App-Icons und Widgets dürfen am Homescreen dort platziert werden, wo man das eben gerne hätte. Also entweder ganz unten über dem Dock, oder in einer vertikalen Reihe am rechten Rand entlang, oder einfach diagonal – völlig egal, mit iOS 18 und iPadOS 18 ist das, was in den letzten 17 Jahren undenkbar war, endlich möglich. Apple legt sogar noch einen drauf und lässt beim Wechsel in den Dunkelmodus die Farben der App-Icons entsprechend anpassen. Wem das nicht gefällt, der darf sich sogar sein eigenes Farbschema anlegen und beispielsweise alle App-Icons blau einfärben.
Neben Verbesserungen im Control Center und Optionen zum Verstecken bzw. Wegsperren von Apps bekommt die Nachrichten-App ein umfangreiches Update. Mit dabei sind neben diversen Gimmicks auch die lange erwartete Send-Later-Funktion und die Unterstützung von RCS (Rich Communication Services). Damit wird es möglich sein, nicht nur diverse Medien an diejenigen zu verschicken, die iMessage nicht verwenden, sondern auch Liefer- und Lesebestätigungen dazu in der Nachrichten-App zu erhalten. Ebenfalls mit an Bord ist das Versenden von Nachrichten ohne Mobilfunkverbindung via Satellit – vorerst allerdings nur in den USA.
Die Fotos-App und Mail bekommen ein überarbeitetes Design, das auch diverse neue Funktionen für das Foto- und Mailmanagement eingebaut hat. Viele spannende Funktionen, wie Cash oder die Live-Audio-Transkription sind vorerst nur in den USA bzw. in englischer Sprache verfügbar.
Für das iPad gibt es zusätzlich noch signifikante Verbesserungen für handschriftliche Notizen durch Smart Script. Mithilfe eines maschinellen Lernmodells wird die eigene Handschrift bereits während dem Schreiben so weit verfeinert, dass sie besser lesbar werden soll. Und sogar eingetippter Text lässt sich dann mit der eigenen Handschrift darstellen – sozusagen als Schriftart. Und schlussendlich kommt mit iPadOS 18 auch die Taschenrechner-App aufs iPad. Neben wissenschaftlichen Rechenfunktionen und dem Konvertieren von Einheiten kann man mathematische Funktionen oder Gleichungen beispielsweise in der Notizen-App auch handschriftlich mit dem Apple Pencil eingeben und in Echtzeit anpassen.
AI wie Apple Intelligence
Nach der Präsentation der Updates für die nächsten Betriebssystemversionen war es dann endlich so weit und Apple enthüllte den sprichwörtlichen Elefanten, der schon die ganze Zeit über im Raum gestanden hatte. Apple Intelligence nennt Apple konsequenterweise seine Version von AI. Allerdings muss klargestellt werden, dass künstliche Intelligenz in den Geräten von Apple nichts Neues ist. Denn schon seit einigen Jahren kommen derartige Technologien auf den Geräten aus Cupertino zum Einsatz. Neu ist jedoch, dass jetzt auch Apple auf große Sprachmodelle – sogenannte LLMs, also Large Language Models – setzt und mit den Betriebssystemen iOS 18, iPadOS 18 und macOS 15 erstmals einführen wird. Aber mit einigen teils gravierenden Einschränkungen, was die Hardware betrifft und zunächst ab Herbst als Beta-Version exklusiv in den USA. Andere Länder und Sprachen sollen dann ab 2025 folgen.
Im Fokus von Apple Intelligence stehen neben einer signifikanten Verbesserung der Sprachsteuerung mit Siri, die in diesem Zuge ein deutliches Upgrade erfahren soll, insbesondere Schreibwerkzeuge zum Verarbeiten von Text, das Generieren von Bildern und das Organisieren von Inhalten, wie beispielsweise E-Mails, Fotos und Benachrichtigungen. Alles mit dem größtmöglichen Schutz der Privatsphäre und primär lokal auf dem iPhone, dem iPad oder dem Mac. Aber da nicht alles lokal auf den Geräten bewerkstelligt werden kann, wird Apple Intelligence auch in der Cloud laufen. Dafür plant Apple eigene Server auf Apple-Silicon-Basis einzusetzen. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist dabei selbstverständlich. Und wer möchte, kann über eine Opt-in-Option auch ChatGPT von OpenAI mit einbinden. Dazu hat Apple eine entsprechende Partnerschaft mit OpenAI in der Keynote vorgestellt. Weitere KI-Modelle sollen noch folgen. Es wäre demnach denkbar, dass man dann auch Googles Gemini oder Microsofts Copilot auf dem iPhone einsetzen kann, ohne die jeweilige App dafür installieren zu müssen.
Fazit
Mit der Ankündigung AI for the rest of us spricht Apple ein ähnliches Statement aus, wie seinerzeit mit Exchange for the rest of us bei der Einführung von MobileMe, dem Vorgänger der iCloud aus dem Jahr 2008. Hoffentlich verläuft der Start von Apple Intelligence weniger holprig, als jener von MobileMe. Denn MobileMe war bei seinem Release vor 16 Jahren – sagen wir mal – noch nicht ganz fertig. Es scheint jedenfalls so, als wäre der Druck auf Apple und auch innerhalb von Apple so groß gewesen, dass man zur diesjährigen WWDC zumindest mit der Ankündigung eines Plans zu den Vorstellungen generativer künstlicher Intelligenz an die Öffentlichkeit gehen wollte. Ansonsten, oder vermutlich deshalb, hätte die WWDC 2024 nicht wirklich viel hergegeben. Und dass der Zeitpunkt für die Ankündigung von Apple Intelligence jedenfalls unternehmerisch im wahrsten Sinne des Wortes goldrichtig gewählt war, beweist die Entwicklung des Aktienkurses in dieser Woche sehr eindrucksvoll.
Was die neuen Betriebssystem-Updates betrifft, so mag das in diesem Jahr zunächst nach wenig klingen. Trotzdem sind ein paar schöne neue Funktionen mit dabei. Zudem wird sich einiges noch in den nächsten Wochen zeigen, wenn die Betaversionen erstmal durchgetestet sind. Jetzt schon purzeln kleine, aber durchaus sehr feine Details heraus, wie beispielsweise jenes für die Dateien-App unter i(Pad)OS 18.
Apple macht also auch heuer wieder in Summe vieles richtig, denn gut Ding muss eben manchmal etwas mehr Weile haben. Und deshalb lebt auch die Hoffnung weiter, dass eines Tages aus dem iPad tatsächlich noch ein richtiger Computer wird.