Friedrich Nietzsche meinte einst, wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, sei ein Sklave. Ausreichend Motivation also, um den eigenen Tagesablauf und das, was es zu tun gilt, etwas genauer zu strukturieren und zu planen. Welchen Aufwand man dafür treiben will, unterliegt individuellen Maßstäben. Jedenfalls kostet die Tagesplanung täglich maximal ein paar Minuten Zeit, hingegen kostet gar keine Tagesplanung – frei nach Nietzsche – ein ganzes Leben.
Geht man von den vierundzwanzig Stunden aus, die jeder Tag bietet und zieht davon acht Stunden für gesunden Schlaf ab, dann bleiben sechzehn weitere Stunden, die exakt zwei Drittel der Tageszeit entsprechen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der eingangs erwähnte Nietzsche genau diese zwei Drittel bzw. sechzehn Stunden gemeint hat. Vermutlich meinte er davon zwei Drittel, also ungefähr zehneinhalb Stunden. Aber bleiben wir – je nach Schlafgewohnheit – bei den sechzehn bis siebzehn Stunden an täglichem Zeitbudget, das man für die Tagesplanung zur Verfügung hat. Benjamin Franklin hatte dafür eine gute Grundstruktur. Er teilte seinen Tag in sechs Zeitblöcke ein, achtete dabei auf ausreichend Pausen, beispielsweise für das Mittagessen und kam mit sieben Stunden Schlaf aus. Die Planung zur Vorbereitung auf den Tag erledigte Franklin im Zuge seiner Morgenroutine. Ihm war nämlich klar, dass er ohne Struktur und Planung von seinen täglichen Herausforderungen überrollt werden würde.
Methode für die Tagesplanung
Es macht also meistens Sinn, zumindest einen rudimentären Tagesplan zu haben, selbst wenn dieser im Zuge seiner Umsetzung angepasst werden muss. Denn alleine schon durch den Prozess der Tagesplanung verschafft man sich einen Überblick, was es zu bewältigen bzw. zu erreichen gilt und bereitet sich mental darauf vor.
Die Methoden für die Tagesplanung reichen von einfachen handgeschriebenen Aufgabenlisten, über die ALPEN-Methode, bis zum Hyper-Scheduling, oder der Tagesplanung mit Zeitblöcken. Der kleinste gemeinsame Nenner für eine erfolgreiche Tagesplanung ist eine gewisse Art der Tagesstruktur. Das können die Franklin’schen Zeitblöcke sein, oder gleich ein kompletter Stundenplan für den ganzen Tag. Diese Zeitstruktur ermöglicht das Planen von festen Zeitgrenzen für das Erledigen von Aufgaben und für Termine. Das ist deshalb hilfreich, um sich selbst nicht zu überbuchen, indem man sich zu viel für einen Tag vornimmt. Denn wir Menschen dazu neigen dazu, den Zeitbedarf für unsere Leistungen recht optimistisch einzuschätzen. Selbst erfahrene Planer werden immer wieder auf den sprichwörtlichen Boden der Tatsachen zurückgeholt, wenn sie kritisch im Nachhinein betrachten, wie viel Zeit tatsächlich für das Erledigen einer Aufgabe oder das Lösen eines Problems in einer Teambesprechung benötigt wurde. Und es gibt keine Methode für die Tagesplanung, mit der man das verhindern kann.
Daher lautet die grundsätzliche Devise hinsichtlich der Methode: lieber einfach, als kompliziert. Das hat zudem den Vorteil, dass man vor der Planungstätigkeit aufgrund eines eventuell hohen Aufwandes nicht zurückschreckt. Meine Methode basiert auf dem Pull-Prinzip. Aus der Aufgabenliste und meinem Quartalsplan wird die Aufgabe mit der höchsten Priorität als Erstes im Tagesplan eingetragen. Dafür plane ich zumindest zwei Stunden ein. Danach folgen bereits fixierte Termine für Besprechungen, Lehrveranstaltungen oder Videokonferenzen. Die sich dann ergebenden freien Zeitfenster können mit anderen Aufgaben belegt, oder als Freizeit genutzt werden.
Die tägliche Notiz als Tagesplan
Den Tagesplan erstelle ich manuell, mit ein wenig technischer Unterstützung. Optisch erinnert mein Tagesplan an die digitale Version eines Bullet Journal. Das Werkzeug meiner Wahl für die Tagesplanung ist Obsidian. Ich verwende dafür die tägliche Notiz, die mittlerweile stark reduziert und somit ausreichend Platz für meine einfache Form der Tagesplanung bietet. Da mir das Hyper-Scheduling zu viel und zu starr ist und mir die Zeitblöcke mittlerweile bereits so in Fleisch und Blut übergegangen sind, führe ich sie nicht mehr explizit als Zeitblöcke oder Stundenplan in meinem Tagesplan an. Stattdessen ergeben sich aus der Reihenfolge der Aufgaben und Termine, die ich in meinen Tagesplan schreibe, diese Zeitblöcke bzw. die Tagesabfolge von Morgens bis Abends.
Die tägliche Notiz wird von einem Siri-Kurzbefehl angelegt, der aus dem Kalender die eingetragenen Ereignisse übernimmt und im Tagesplan einträgt. Zudem werden drei tägliche Routinen ebenfalls gleich vom Kurzbefehl als Aufgaben in jedem neuen Tagesplan angelegt. Zwei dieser Routinen begrenzen den Tag: eine Yoga-Einheit in der Früh ist meist das erste und das Reflektieren über den gerade zur Neige gehenden Tag das letzte, was ich täglich zu tun habe. Die Tagesplanung für den nächsten Tag ist Bestandteil der Reflexionsroutine am Abend. Die dritte Routine betrifft das Lesen, für das ich mir täglich meistens am späteren Nachmittag oder frühen Abend zumindest eine halbe Stunde Zeit nehme.
Planlos bleiben Ziele unerreichbar
Cal Newport meint, dass jede und jeder ein System für die zeitliche Planung der eigenen Aufgaben und Verpflichtungen hat. Selbst dann, wenn es nicht benannt werden kann, oder man noch nie darüber nachgedacht hat. Allerdings ist es dann nach seiner Meinung ein schlechtes System. Aber egal, ob gut oder schlecht, einfach oder aufwändig. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, mich nicht zu sehr an einen Tagesplan zu klammern. Auch wenn ich gerne alles im Voraus wissen würde, ist das nicht notwendig, um Fortschritte zu machen. Der Zwang, alle Details kennen zu müssen, kann sogar davon abhalten, mit der eigentlichen Arbeit anzufangen. Allerdings wäre es unsinnig, daraus abzuleiten, dass kein System zu haben, das beste System sei, oder es gar strikt abzulehnen, sich ein Planungssystem zunutze machen zu wollen. Denn das Leben nimmt oft Wendungen, die man nicht erwartet oder kommen sieht und dann muss man in der Lage sein, sich schnell neu zu orientieren. Daher ist es durchaus wichtig, mit dem Tagesplan eine Art Kompass zu haben, mit dem man zumindest die Richtung nicht verliert, in die man gehen will, um sein Ziel zu erreichen.
Die Tagesplanung macht also durchaus Sinn. Darauf zu verzichten oder gar keine zu wollen, wäre hingegen grober Unsinn. Jedoch müssen zwei Dinge in diesem Kontext abschließend noch klargestellt werden:
- Die perfekte Tagesplanung gibt es nicht. Struktur, Methode und Werkzeug sind von den individuellen Anforderungen und Vorlieben abhängig und müssen auch den jeweiligen Produktivitätsrhythmus berücksichtigen.
- Der beste Tagesplan ist nutzlos, ohne ein Mindestmaß an Disziplin und ausreichend Flexibilität. Es ist ein schmaler Grat, auf dem man wandelt, zwischen der Konsequenz in der Befolgung des eigenen Plans und der Spontanität, die das Leben lebenswert macht. Ein Absturz auf die eine oder die andere Seite hätte vermutlich höchst unbefriedigende Folgen.
Fazit
Als Ingenieur liegt mir das Planen am Herzen. Ich will ja nicht behaupten, dass Planen alles ist, weil mir durchaus bewusst ist, dass viele Pläne wertlos sein können. Aber trotzdem ist es sinnvoll, wenn man sich einen Plan für den (Arbeits)Tag zusammenstellt und dort auch festhält, wie an diesem Tag die Prioritäten verteilt sind. Eine gute Begründung dafür liefert Greg McKeown in seinem Buch Essentialism: The Disciplined Pursuit of Less mit der schlichten Feststellung If you don’t prioritize your life, someone else will. Und dann sind wir ganz rasch dort, was Friedrich Nietzsche mit seiner zu Beginn erwähnten Aussage eigentlich gemeint hat.
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