Die tägliche Notiz in Obsidian bietet unter anderem auch Platz für eben tägliche Notizen. Diese täglichen Notizen können auch eine Art Tage- bzw. Logbuch sein, in dem man neben Notizen und Ideen auch besondere Ereignisse, Erlebnisse, Gelerntes, oder persönliche Gedanken festhält. Dazu gibt es verschiedene Methoden, aber nur eine, die alles vorher genannte in einem ermöglicht.
Seit dem 1. Januar 2014 schreibe ich täglich ein Logbuch. Das tägliche mitloggen von erledigten Aufgaben, bearbeiteten Projekten, besonderen Ereignissen, oder persönlichen Gedanken ist mir in diesen mittlerweile fast elf Jahren zur liebgewonnenen Routine geworden. Es gibt daher in diesem Zeitraum bestenfalls eine handvoll Tage, zu denen es keine Einträge gibt. Schlicht, weil ich es vergessen hatte oder keine Gelegenheit dazu war.
Zuerst habe ich mein Logbuch in DayOne geführt. Das ist eine dedizierte Tagebuch-App für Mac, iPad und iPhone. DayOne ist auch für Android verfügbar und kann als Web-App im Browser genutzt werden. Zwischendurch habe ich ein paar Versuche mit Evernote unternommen. Nachdem DayOne im Juni 2021 verkauft wurde, habe ich Apples Notizen-App für das Logbuch genutzt. Seit Herbst 2022 schreibe ich mein Logbuch in den täglichen Notizen in Obsidian. Und heuer zum zehnjährigen Jubiläum habe ich begonnen, die alten Logbucheinträge aus den Jahren 2014 bis Sommer 2022 hierher nach Obsidian zu übertragen. Im Zuge dessen werden viele Erinnerungen wieder wach, manches bereits Vergessene wieder entdeckt und ich habe dabei festgestellt, dass die Behauptung, wer ein Tagebuch schreibt, sein Leben zumindest zweimal, wenn nicht sogar öfter erlebt, tatsächlich richtig ist.
Tage- vs. Logbuch
Es gibt ein paar Unterschiede zwischen einem klassischen Tage- und einem Logbuch. Beim Tagebuchschreiben geht es darum, die eigenen Gedanken, Gefühle und Erlebnisse aufzuschreiben. Einerseits, um zu reflektieren und Emotionen zu verarbeiten und andererseits, um sich selbst zu sortieren. Der Schreibstil ist frei und selten strukturiert oder formalisiert. Man schreibt eher das, was einem durch den Kopf geht, wie man sich fühlt, was man erlebt hat, was passiert ist, oder wofür man dankbar ist. Und weil man ein Tagebuch schließlich nur für sich selbst schreibt und niemand sonst darin lesen wird, kann es durchaus vorkommen, dass man nach ein paar Jahren alte Einträge nicht mehr versteht. Man hat nämlich beim Schreiben nicht berücksichtigt, dass man auch für das zukünftige Ich gewisse Dinge genauer erklären, dokumentieren oder beschreiben müsste.
Das Logbuch beinhaltet eine solche genauere Dokumentation, um damit zu einem späteren Zeitpunkt Ereignisse und Vorgänge nachzuvollziehen oder Entscheidungen zu überprüfen. Es wurde ursprünglich in der Seefahrt als eine Art Schiffstagebuch verwendet, um eine verlässliche, chronologische Dokumentation über Reiseverlauf, Wetterbedingungen, Navigationsdaten, Aktivitäten, Beobachtungen und besondere Vorkommnisse zu erstellen, die im Zeitraum der Reise gemacht werden. Auch in der Wissenschaft nutzen Forscher Logbücher, um Versuchsdaten, Beobachtungen und Fortschritte zu dokumentieren. Im Projektmanagement können Logbücher zur Dokumentation des Projektfortschritts, von Problemlösungen und wichtigen Entscheidungen genutzt werden. Schließlich kann ein Logbuch auch im privaten Bereich eine strukturierte und mehr formalisierte Version des Tagebuchs sein, um beispielsweise Erlebnisse, Trainingsfortschritte oder persönliche Ziele festzuhalten.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Tage- und einem Logbuch liegen einerseits im Zweck und andererseits in der inhaltlichen Struktur. Während in einem Logbuch sachlich Ereignisse, Entscheidungen, Beobachtungen, Tätigkeiten, oder Fortschritte systematisch dokumentiert werden, erfolgt das in einem Tagebuch eher persönlich und aus einem subjektiven Blickwinkel. Zudem hat ein Logbuch oft eine vorgegebene Struktur. Jedenfalls ist ein Logbucheintrag kurz und prägnant formuliert, um das Beschriebene möglichst präzise und auf das Wesentliche beschränkt abzubilden. Tagebucheinträge hingegen sind flexibler und meist nicht strukturiert, variieren in Länge und Form, je nachdem, was man festhalten möchte. Schließlich ist auch zu beachten, dass ein Logbuch eher im beruflichen Kontext zur Dokumentation eingesetzt wird und daher oftmals auch öffentlich zugänglich sein kann. Ein Tagebuch hingegen wird ausschließlich für den privaten Gebrauch geschrieben und ist nicht für eine öffentliche oder berufliche Nutzung vorgesehen.
Trotz dieser Unterschiede kann ein Tagebuch Elemente eines Logbuchs enthalten und umgekehrt. Es liegt im Ermessen des Verfassers bzw. der Verfasserin, ob und wie man diese Elemente miteinander kombiniert. Unabhängig davon existieren zum Verfassen eines Logbuchs mehrere Methoden, deren Einsatz vom jeweiligen Kontext und Zweck des Logbuchs abhängt. Mein Ansatz ist der eines persönlichen Logbuchs, in dem man mit einer hybriden Methode aus freiem Schreiben und stichpunktartigen Notizen in einer gewissen Chronologie Aktivitäten, Tätigkeiten, Ereignisse, Beobachtungen, Fortschritte und Entscheidungen wie in einem Bullet Journal systematisch festhält. Wesentlich erscheint es auch, in einem privaten Logbuch über Erfahrungen, Gefühle und Gelerntes oder Gelesenes nachzudenken und zu reflektieren, auch um Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.
Interstitielles Logbuch
Eine Methode, die sich für diese hybride Form des privaten Logbuchs sehr gut eignet, ist das sogenannte interstitielle Logbuch. Interstitial Journaling wurde ursprünglich von Tony Stubblebine (Vorsicht: Paywall) erstmals erwähnt. Es handelt sich dabei um eine Tagebuch-Technik, bei der man sich notiert, welche Tätigkeiten man abgeschlossen hat, was man dabei gedacht hat, oder woran man gerade arbeitet und welche nächsten Schritte man setzen möchte. Anne-Laure Le Cunff meint, man sollte sich beim Interstitial Journaling auch Privates und nicht arbeitsrelevantes notieren, z.B. was einen ablenkt, ob man prokrastiniert und warum.
Interstitial Journaling begleitet einen also durch den ganzen Tag mit mehreren teilweise kurzen und prägnanten Einträgen, anders als beim traditionellen Tagebuch, in das man ein bis zweimal täglich meist längere Einträge schreibt. Es geht um das Niederschreiben der eigenen Gedanken zu beispielsweise Aufgaben und Dingen, die man zu erledigen hat, oder Projekten, an denen man arbeitet bzw. die man als Nächstes angehen möchte und wie man ein Projekt in kleinere, besser bewältigbare Aufgabenpakete gliedern kann, etc.
Das Wort Interstitial ist vom lateinisch-anatomischen Begriff Interstitium abgeleitet. Interstitium steht für Zwischenraum, beispielsweise in Geweben, Gewebeflüssigkeiten, etc. und interstitiell bedeutet soviel wie in den Zwischenräumen liegend. Meist verlaufen im Interstitium entweder Bindegewebe mit Kollagenfasern zur Aufnahme von mechanischen Belastungen (Dehnung, Scherung, Kompression), oder auch Versorgungsbahnen wie Blutgefäße und Nerven für Organe. Jedenfalls ist das Interstitium ein Zwischenraum zur Stabilisierung und Versorgung.
Die Methode des Interstitial Journaling bzw. des interstitiellen Logbuchs wird deshalb so bezeichnet, weil man – in Anlehnung an das Interstitium – den Zwischenraum zwischen Aufgaben, Projekten, oder sonstigen Aktivitäten nutzt, um zu reflektieren und sich selbst einen Ausblick auf das Bevorstehende zu geben. Das hilft dem menschlichen Gehirn, besser zwischen den Aktivitäten oder Aufgaben zu wechseln. Das Aufschreiben der eigenen Gedanken bietet eine ideale Gelegenheit für das Selbst-Feedback und es beruhigt zum einen den eigenen Geist und zum anderen entsteht ein produktiver Nutzen durch den Rückblick auf das Erledigte und den Ausblick auf die nächsten Aufgaben oder Schritte in einem Projekt.
Die Vorgangsweise beim interstitiellen Logbuch ist denkbar einfach. Jedes Mal, wenn man eine Pause macht, notiert man Datum und Uhrzeit und schreibt, was man gerade gemacht bzw. erledigt hat und was als Nächstes ansteht, was man gerade denkt, ob man abgelenkt wird bzw. wurde, oder wie man sich auf die nächsten Aufgaben vorbereitet. Alles in möglichst kurzen, prägnanten Einträgen die man untereinander in Form einer Bulletpoint-Liste laufend fortführt.
Umsetzung in Obsidian
Das interstitielle Logbuch ist also eine einfache Methode, Notizen, Aufgaben und eine Art Zeiterfassung in einem einzigartigen Arbeitsablauf zu kombinieren. Es ist eher subjektiv und daher weniger geeignet für rein sachliche Dokumentationen, aber es ist formal und von der Struktur her kein klassisches Tagebuch, sondern vielmehr ein Logbuch. Zwar benötigt man dafür keine spezielle Software, denn ein interstitielles Logbuch ließe sich auch händisch in einem Notizbuch erstellen. Allerdings bieten sich die täglichen Notizen in Obsidian an, ebendort ein interstitielles Logbuch zu führen.
Die tägliche Notiz ist eine Markdown-Datei für jeden Tag, die einen guten Überblick in Form eines Tagesplans, sowie zu den anstehenden Aufgaben bietet. Darüber hinaus kann die tägliche Notiz ein Logbuch beinhalten, also Einträge und Notizen über Ideen, Informationen und Dinge, die man im Laufe des Tages erledigt, entdeckt oder erlebt hat.
Im oben dargestellten Beispiel befindet sich ersten Abschnitt der Tagesplan. Dort sind die am jeweiligen Tag geplanten Aufgaben und Termine eingetragen. Letztere werden beim Anlegen der täglichen Notiz mittels Kurzbefehl automatisch aus der Kalender-App übernommen. Der zweite Abschnitt bietet Platz für die täglichen Notizen und Logbucheinträge. Hier kann das interstitielle Logbuch geführt werden. Dazu verwende ich einen Kurzbefehl, aber die Einträge lassen sich natürlich auch manuell erstellen, oder mit dem QuickAdd-Plugin anlegen.
Denkbar wäre es auch, das Logbuch zumindest teilweise in Form von Antworten auf konkrete, täglich wiederkehrende Fragestellungen zu schreiben. Zum Beispiel könnte man so am Ende des Tages ein paar Fragen darüber beantworten, was man heute gelernt hat, was man erledigt hat, oder was gut gelungen ist und wo man sich in Zukunft noch verbessern möchte. Diese Methode erleichtert vor allem den Einstieg in eine tägliche Logbuchpraxis, kann aber natürlich auch darüber hinaus zum Reflektieren genutzt werden. Dazu ist es hilfreich, die täglichen Fragen in die Vorlage der täglichen Notiz mit einzubauen.
Fazit
Das regelmäßige Tage- bzw. Logbuch schreiben ist ein simples, aber wirkungsvolles Werkzeug zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung durch das Reflektieren über Gedanken, Ideen, Erlebnisse, oder erledigte Aufgaben, wofür man dankbar ist, bis hin zu Gefühlen und Verhaltensmustern. Es kann somit als Ventil für Stressabbau dienen und hat dadurch auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Zudem unterstützt es die Problemlösungsfähigkeit, oder hilft bei der Zielsetzung und fördert die Kreativität.
Damit das gelingt, ist eine langfristige und konsistente tägliche Logbuchpraxis Voraussetzung. Das interstitielle Logbuch hat sich in meiner bisher fast elfjährigen, täglichen Logbuchpraxis als die ideale Methode herauskristallisiert. Natürlich habe ich davor auch viele Jahre mit unterschiedlichen Ansätzen und Formaten experimentiert. Aber seit ungefähr fünf Jahren schreibe ich mein Logbuch in der interstitiellen Form und nutze dafür seit mittlerweile zwei Jahren die tägliche Notiz in Obsidian. Und nicht zuletzt bekommt man im Laufe der Jahre durch dieses tägliche Ritual quasi als zusätzlichen Benefit ein Protokoll der persönlichen Entwicklung.
P.S.: Der Kurzbefehl, mit dem man einen Logbucheintrag in der täglichen Notiz erstellen kann, wird zu einem späteren Zeitpunkt hier im Blog noch genauer vorgestellt.
Moin Thomas,
wieder ein toller Beitrag und eine klasse Anregung. Ich werde den Beitrag heute sicher noch einmal lesen und mir überlegen, wie und was ich in meine tägliche Routine übernehmen werde.
Ursprünglich bin ich durch eine Internet-Suche zu Obsidian auf deine Homepage aufmerksam geworden. Mittlerweile lesen ich deine Beiträge regelmäßig und habe schon viele gute Ideen und Anregungen erhalten. So lesen ich im Moment das Buch von James Clear „Die 1% Methode“.
Grüße aus dem Norden von Deutschland Michael
Herzlichen Dank Michael! Freut mich voll, dass Dir meine Beiträge gefallen!