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Getestet: Linux im (B)PM-Alltag

linux-insideLinux hat sich in den letzten Jahren von einem Betriebssystem für Computernerds zu einem ernstzunehmenden und konkurrenzfähigen OS gemausert. Insbesondere die Stabilität des Systems, die Verbesserungen der Installtionsmöglichkeiten über so genannte Distributionen (z.B. Ubuntu, SuSe, RedHat, Debian, etc.) und die stetige Weiterentwicklung der grafischen Benutzeroberflächen (Gnome und KDE) haben dazu beigetragen, Linux auch am Desktop (nahezu) alltagstauglich zu machen. Während Linux im Serverbereich bereits sehr weit verbreitet ist, hinkt der Desktop- resp. Clientbereich noch etwas hinterher. Aber auch hier gibt es immer wieder Impulse, wie zum Beispiel die Einführung von Linux bei der Stadt München (die Migration läuft seit 2004) und eine IDC-Studie aus dem Frühjahr 2009 zeigen.
Fasziniert von der Open-Source-Idee, auf die Linux aufbaut, habe ich die Frage gestellt, ob der Projektmanagement-Alltag mit einem freien Betriebssystem und der darauf laufenden Software bewältigt werden kann. Meine ersten Erfahrungen und Eindrücke sind nun hier zusammengefasst:

Testumgebung

Alle hier besprochenen Tests habe ich auf einem Dell Inspiron Mini 10 (Netbook) mit Ubuntu 8.04 (Hardy Heron) und auf einem iMac mit Ubuntu 9.04 (Jaunty Jackalope), das in einer VirtualBox läuft, durchgeführt. Schon die Installation in der VirtualBox war ein Abenteuer mit einiger Recherchearbeit, wie man den X-Server (für die grafische Benutzeroberfläche, hier Gnome) in der richtigen Auflösung zum Laufen bringt. Aber dank toller Tutorials und Foren im WWW alles eigentlich kein Problem, vorausgesetzt man hat Zeit … und ein wenig Ausdauer.

Die Netbook-Hardware hat so ihre Tücken für den 24“-iMac-Verwöhnten. Ein sehr kleiner Bildschirm verhindert eine umfassende Anzeige von z.B. Tabellen oder Terminplänen und schafft teilweise auch die Systemdialoge nicht. Die OK-Schaltfläche bleibt dann im Verborgenen, was natürlich für die eine oder andere Einstellung wenig hilfreich ist. Mit den kleinen Tasten vertippe ich mich regelmäßig und das Trackpad des Dell Mini 10 ist vornehm ausgedrückt eine Katastrophe. Das sind natürlich alles Schwachpunkte, die nur die Hardware betreffen und nicht direkt mit Linux als Betriebssystem in Zusammenhang stehen. Schließlich treten ganz ähnliche Probleme auch bei meinen Kollegen auf, die z.B. Windows auf einem Netbook verwenden.

Linux als Betriebssystem

Linux ist als Betriebssystem mit einer grafischen Benutzeroberfläche (der Anwender hat die Wahl zwischen Gnome und KDE) ausgestattet und damit eigentlich intuitiv bedienbar. Dateiverwaltung, Systemeinstellungen und Anwendungen lassen sich in ähnlicher Weise wie unter anderen Betriebssystemen aufrufen. Wie immer ist es nur eine Zeitfrage, bis man an die wesentlichen Handgriffe und Klicks gewöhnt ist.

Im Vorhinein nicht wirklich bewusst war mir das Faktum, dass das Installieren einer beliebigen Software unter Linux eine echte Herausforderung ist. CD-ROM einlegen oder Download aus dem WWW und dann Klick auf Setup funktioniert bei Linux leider nicht. Da muss man schon ein wenig tiefer in die Materie einsteigen, wenn man sich nicht nur mit den Programmen zufrieden geben will, die mit der jeweiligen Linux-Distribution mitgeliefert werden bzw. aus selbiger über einen komfortablen Menübefehl nachinstalliert werden können. Auch Updates (z.B. auf die neueste Version des Browsers Firefox) sind nur etwas für Spezialisten. Wer sich hier vertiefen möchte, dem sei das Linux-Buch von Michael Kofler wärmstens empfohlen, darin wird allerdings auch von derartigen Experimenten eher abgeraten und einer Neuinstallation der gesamten Distribution mit aktuelleren Softwarepaketen der Vorzug gegeben.

Software für den (B)PM-Alltag

Im Vordergrund meiner Tests stand neben der allgemeinen Tauglichkeit des Betriebssystems natürlich die Software, die für den täglichen Einsatz im Büro und vor allem unterwegs auf den Baustellen bzw. beim Kunden (deshalb auch das Netbook) unverzichtbar ist. Zu diesen Alltagswerkzeugen gehören für mich neben Office-Anwendungen für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationen auch ein eMail-Client, der Webbrowser, Aufgabenlisten (GTD), Mindmapping-Software und PM-spezifisch eine Projekt- und Terminplanungssoftware. Speziell im Bauwesen sind dann auch noch Tools für CAD, Ausschreibungen/Leistungsverzeichnisse und Kostenmanagement aus dem PM-Alltag nicht wegzudenken. Diese branchenspezifische Software wurde bis dato unter Linux noch nicht getestet und folgt dies zu einem späteren Zeitpunkt. Das Erstellen von PDF-Dateien ist in Linux ähnlich gut integriert, wie in MacOS X und muss daher nicht gesondert erwähnt werden. Lediglich die Funktionalität eines Adobe Acrobat Professional vermisse ich unter Linux bis dato noch (aber da sprechen wir ja auch schon nicht mehr von freier Software im Sinne des Open-Source Gedankens).

Nachstehend sind nun in kurzen Stichworten meine ersten Testergebnisse zusammengefasst:

  • OpenOffice.org: Mein auch am Mac bevorzugtes Office-Paket läuft unter Linux exakt gleich gut und bietet den selben Funktionsumfang. Eine Alternative im Sinne des plattformübergreifenden Zusammenarbeitens wären die Google Documents, die via Webbrowser bedient werden können und zudem auch eine direkte Kollaboration in Echtzeit an Texten, Tabellen und Präsentationen online ermöglichen.
  • Thunderbird: Der eMail-Client funktioniert perfekt mit Mobile.Me und Google Mail, die Einbindung von Adressdaten/Kontakten ist via LDAP möglich. Leider klappt der Kalenderabgleich nicht mit Mobile.Me, kann aber im Webbrowser bewerkstelligt werden.
  • Firefox: Funktioniert wie unter anderen Betriebssystemen auch und beinhaltet den selben Funktionsumfang. Die Synchronisation von Bookmarks ist über entsprechende Online-Dienste oder ein Firefox-AddIn (z.B. Bookmark Sync and Sort) möglich, eine direkte Anbindung an Mobile.Me ist leider wie auch unter MacOS X nicht möglich (das funktioniert bis dato nur mit Apples eigenem Browser Safari). Sämtliche Online-Anwendungen wie virtuelle Projekträume (z.B. conject, projektraum.st, etc.) oder PM-Tools (z.B. Zcope) funktionieren perfekt mit Firefox, lediglich die Displaygröße des Netbook ist für ein effektives und teilweise reibungsloses Arbeiten zu klein.
  • gToDo und QToDo: Diese beiden GTD-ähnliche Anwendungen bieten die wichtigsten Funktionen zur Verwaltung von Aufgabenlisten. Es gibt eine Vielzahl an nützlichen Programmen in diesem Bereich, diese Übersicht ist bei der Suche nach dem richtigen System vielleicht eine Hilfe. Keines dieser Programme beherrscht allerdings eine Synchronisation mit einem Smartphone oder anderen Anwendungen, was meiner Meinung nach einen gravierenden Nachteil darstellt. Daher ist der Weg über eine Online-Anwendung (z.B. Remeber the milk) der empfehlenswerte.
  • Labyrinth Mindmaps: Nettes Mindmopping-Tool, das allerdings nur mit den eigenen *.mapz-Dateien umgehen kann und daher von der Kompatibilität eher eingeschränkt anwendbar ist. Seit Version 0.3 gibt es allerdings auch eine Windows-Version von Labyrinth, die sich allerdings noch in einem „highly-experimental-not-for-everyday-use“-Status befindet. Aber auch hier bietet eine Online-Anwendung Hilfe: Mindmeister verfügt über einen brauchbaren Funktionsumfang und ermöglicht zudem die gemeinsame Erstellung und Bearbeitung von Mindmaps online.
  • Planner: Die Projekt- und Terminplanngssoftware erinnert auf den ersten Blick ein weing an MSProject. Zum Testen wurde ein kompletter Projektplan (Termine, Aufgaben, Ressourcen, Kosten, Dokumente) aus Merlin via XML-Schnittstelle exportiert und in Planner importiert (das dauerte eine ganze Weile). Dabei wurde zwar die Strutktur des Projektplanes korrekt übernommen, jedoch gingen alle Termine, Abhängigkeiten und Ressourcenplanungen dabei verloren. An sich ist die Software abgesehen von dem eben beschriebenen Importproblem jedenfalls gut einsetzbar und bietet zudem die notwendigen Schnittstellen zur Datenweitergabe an MSProject & Co. Sehr schön umgesetzt ist auch der HTML-Export. Alternativen hierzu wären OpenProj oder ]project-open[.

Fazit und Ausblick

Der Linux-im-(B)PM-Alltag-Test läuft seit Anfang Oktober 2009 und hat für den ersten, eher allgemeinen Teil zumindest in manchen Bereichen zufriedenstellende Ergebnisse gebracht. Auch wenn das Handling mit dem Betriebssystem zu Beginn teilweise etwas ungewohnt und kompliziert ist, so kann man durchaus attestieren, dass ausreichend brauchbare Software und Tools zur Verfügung stehen, die einen professionellen Einsatz grundsätzlich ermöglichen.

Derzeit versuche ich gerade, das Netbook auf die neueste Ubuntu-Version (9.10 – Karmic Koala) zu aktualisieren und sobald ich damit erfolgreich war, werden die Tests mit neueren Versionen und zusätzlicher Software fortgesetzt. Insbesondere werde ich mich dann auch den branchenspezifischen Werkzeugen für das Bauwesen widmen. Wichtig ist mir dabei auch weiterhin die Kompatibilität für einen Datenautausch mit MacOS und Windows. Nur so ist sichergestellt, dass ein Projektmanager, der mit Linux arbeitet, in seinem Projektteam auch Daten austauschen kann.

2 Kommentare

  1. Michael Kofler sagt

    Hallo Thomas,

    danke für den gut recherchierter Artikel! Es ist sehr erfreulich, dass Linux offensichtlich auch für das Baugewerbe tauglich ist.

    Liebe Grüße,

    Michael

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