Projects do fail prangt in dicken weißen Lettern auf der ganz in schwarz gehaltenen Seite 13. Mit dieser markigen These wird die Existenz des Buches „Turn / Around – Wenn Projekte kopfstehen und klassisches Projektmanagement versagt“ gerechtfertigt. Warum ich bei der Lektüre dieses Buches Kopfschmerzen bekam und wieso das bei Bauprojekten nicht funktioniert kann, lest Ihr hier …
In einem kurzen Vorwort behauptet Prof. J. Menno Harms, dass es einen Kulturwandel im Projektmanagement braucht. Und wenn man dann ein paar Seiten weiter über die exemplarisch aufgezählten Großprojekte Stuttgart 21, Flughafen BER, Elb-Philharmonie & Co. stolpert – übrigens fast alles Bauprojekte, die da herhalten müssen – erzeugt das so eine zarte Ahnung über das Bevorstehende. Es geht um Krisen und Scheitern, die beide mit einem Turn Around abgefangen werden sollen. Dafür stellen die in Summe 40 Autoren dieses Buches unter der Leitung von Roger Dannenhauer, Torsten J. Koerting und Michael Merkwitza ein neues Tool vor: den Project Square und die 5 Phasen eines solchen Turn Around.
All das wird schön der Reihe nach erläutert und im Stile von Tom DeMarco mit Kurzromanen zu jedem Kapitel vertieft. Vorab wird noch beschrieben, was bei einem Projektstart so alles schiefgehen kann. Ich schüttle jetzt mal ganz locker die These aus dem Ärmel, dass alle (Bau)Projekte, die in Krisen wie z.B. der Skylink in Wien oder der Flughafen BER geraten, bereits in dieser Projektstartphase zum Scheitern verurteilt wurden. Denn irgendwer hat in dieser Phase über die Kosten, die Termine oder den Projektinhalt schlichtweg gelogen bzw. seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht und es dann nicht mehr geschafft, das auszubügeln. Wie auch immer – wenn das bei einem Bauprojekt passiert, dann helfen Project Square und ein 5-Phasen-Turn-Around-Projekt (im Projekt) auch nur noch wenig bis gar nicht. Denn Bauprojekte ticken einfach anders und wenn ich dort anfange, überkandidelte Prozesse überzustülpen, dann scheitert das ganze erst recht. Wie steht es so schön in dem Buch auf Seite 25 – genau so, wie es Winston Churchill angeblich mal formulierte und The Streets daraus dann einen famosen Song gezimmert haben: „If you’re going through hell, keep going„.
Der Project Square ist an sich eine gute Idee. Eine strukturierte Herangehensweise mit sieben Bausteinen, die gerade beim Projektstart sicher sinnvoll eingesetzt werden können. Oder auch bei Reflexionen im Projektteam, um den Fokus auf das Projekt, seine Ziele und Ressourcen zu behalten.
Erschrocken bin ich aber bei der Lektüre dennoch, weil das Buch grafisch für meinen Geschmack zu reisserisch aufgemacht ist. Lose hängen da eine geballte Ladung markiger Sprüche und Anglizismen auf Seiten herum und werden mit verschiedensten Symbolen grafisch akzentuiert. Ein richtiger Lesefluss kann dabei nicht entstehen und nach 30 Seiten am Stück bekam ich Kopfschmerzen und musste mich anderweitig betätigen. Deshalb hat’s mit der Rezension auch ein wenig gedauert. Aber jetzt ist sie da und ich bin mir nicht sicher, ob ich für meinen praktischen PM-Alltag von dem Gelesenen auch etwas anwenden kann. Ich habe eher das Gefühl, es ist wieder eines jener Bücher, in denen wir PM-ler uns zu viel mit uns selbst beschäftigen. Dabei steht es in dem Buch auf Seite 264 so trefflich beschrieben: „PM-Core – Minimalistische Projektmanagement-Werkzeuge sind unverzichtbar und bringen das Projekt auf Erfolgskurs„. Das ist es doch, darauf sollen wir PM-ler uns in Lehre und Praxis fokussieren. Den Rest nenne ich mal einfach situative Lösungskompetenz, die man im PM-Alltag braucht und für die gibt es kein Buch, kein Seminar und keinen Lehrgang, sondern nur die praktische Erfahrung in richtigen Projekten. In diesem Sinne: keep going and don’t turn around (too often) …
Weiterführende Links
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auch ich habe die erfahrung gemacht, dass ratgeber-literatur wenig aufschlussreich ist, wenn Sie ein so weitlaeufiges thema fassen moechte. was in diesem bereich nutzen bringt, sind spezialisierte ratgeber, die sich auf ein klar abgestecktes thema konzentrieren. der effizienteste ratgeber sind die eigene erfahrung, die eigenen fehler und gespraeche mit menschen, die erfahrung teilen koennen. literatur ist da zu statisch, weil unterschiedliche fragen, die beim lesen auftauchen, kaum beruecksichtigt werden koennen.
das churchill zugeschriebene zitat ist bei projekten, die schon einige kilometer abgespult haben, ein treffender rat 🙂
Hallo Martin, schön zu sehen, dass dieses Blog auch von bau-branchenfremden Lesern frequentiert wird 😉 Du hast natürlich recht, denn die eigene Erfahrung, die eigenen Fehler und der Erfahrungsaustausch sind unersätzlich für die (persönliche) Weiterentwicklung (beruflich und privat). Manche dieser Erfahrungen und/oder Fehler lassen sich vortrefflich literarisch (mehr oder weniger wertvoll) festhalten, manche weniger … von ersterem kann man dann auch beim Literaturstudium gut profitieren, weil es zum Nachdenken, Reflektieren und auch Diskutieren (mit Gleichgesinnten oder dem Autor) anregt.
Mich würde interessieren, wie Du als Grafiker und Spezialist für Typographie die Aufmachung dieses Buches siehst. Dazu sollten wir uns mal bei Gelegenheit unterhalten …