Projektmanagement, quo vadis? Wohin geht die Reise? Dieses Thema wird nicht nur auf den PM-Camps (mittlerweile) in ganz Europa diskutiert. Diese Woche gab es dazu auch einen interessanten Blogpost von drei Kollegen auf PM-Blog.com. Sehr plakativ wurden insgesamt sieben Thesen zum Projektmanagement von morgen aufgestellt und auch etwas näher erläutert. Aber machen diese sieben Thesen auch für die Mutter aller Projekte – dem Bauprojekt Sinn?
Die nachstehenden Zeilen verstehen sich als Kommentar zu diesen sieben Thesen im Bezug auf Bauprojekte.
Sozusagen als Reinholer gleich vorab: die Thesen 3 bis 5 unterschreibe ich auch für das Bau-Projektmanagement sofort:
- These 3 – “Mehr Integration”: Insbesondere der Planungsprozess muss neu gedacht werden. Denn die über zu lange Zeit tradierten Planungsstufen sollten im Sinne eines integralen Planungsprozesses entflochten und an die zunehmend komplexeren Herausforderungen flexibel angepasst werden. Nicht bloße Effizienzsteigerung ist dabei das Thema, sondern die Erhöhung der Effektivität für eine von Natur aus iterative, interdisziplinäre Herangehensweise. Zu diesem integralen Planungsprozess werde ich in den nächsten Wochen noch etwas genauer berichten – so viel sei hier schon mal vorab verraten 😉
- These 4 – “Mehr Führung”: Der Weg zum “servant leadership” ist für die bei Bauprojekten meist hierarchischen Projektstrukturen und den damit verbundenen autokratischen Führungsstil eine der größten Herausforderungen. Ein Weg zum Erfolg kann auch über die aus der These 7 resultierenden Reflexionen sowie entsprechende Aus- und Weiterbildungsprogramme führen.
- These 5 – “Mehr Miteinander”: Hier sehe ich eine nahezu direkte Proportionalität zu den Thesen 4 und 7. Denn ohne entsprechendes Führungsverständnis und Können bzw. Kompetenzen wird es kaum mehr Mitander im Projektteam geben können. Auch die Methodik in der Projektabwicklung muss auf ein verstärktes Miteinander im Rahmen eines integralen Prozesses feinabgestimmt sein. Insofern gibt es auch einen Konnex zwischen den Thesen 5 und 3.
- These 6 – “Mehr Social Collaboration”: Hier haben wir in der Baubranche noch einen massiven Aufholbedarf. Die Werkzeuge und Tools, die in der Bauprojektabwicklung zum Einsatz kommen, sind technologisch am Stand von vor 15 Jahren – also noch in der Steinzeit. Und wir haben die Trends und daraus resultierende Vorteile der letzten Jahre schlichtweg verschlafen.
- These 7 – “Mehr Können”: Die Kompetenzen, die ein Projektmanager sozusagen als Handwerkszeug mitbringen muss, sind klar definiert. Fachwissen, Organisations- und Methodenkompetenz können ausreichend erworben und trainiert werden. Das (Weiter)Bildungsangebot dafür ist reichhaltig. Sinngemäßes auch für die soziale Kompetenz – sofern diese auch ausreichend ausgeprägt ist. Aber das, was diese vier Kompetenzsäulen miteinander in feinen Linien verbindet und erst richtig zum Blühen bringt, ist die Erfahrung. Und die Erfahrung kann nur in der Praxis erworben und durch Reflexion z.B. mit Kollegen oder im Coaching vertieft werden. Entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote fehlen in der Baubranche noch, werden aber in Hinkunft v.a. im Konnex mit der These 3 eine verstärkt wichtige Rolle spielen (müssen), wenn wir auch die Baubranche fit für die Zukunft bekommen wollen.
Soweit, so gut. Aber zu den Thesen 1 und 2 habe ich nur vage Vermutungen, was genau damit gemeint sein könnte. Zur These 1 – “Mehr Komplexität” ist anzumerken, dass bei Bauprojekten stets mehr oder weniger komplexe Anforderungen in der Planung zu Papier gebracht und in der Ausführung dann mit Beton, Stahl, Glas, gebäudetechnischen Anlagen, etc. manifestiert werden. Natürlich werden mit dem technologischen Fortschritt auch die Anforderungen an unsere Bauwerke zunehmend komplexer. Vermutlich ist etwas in diese Richtung mit dieser These gemeint.
Und dann war da schließlich noch die These 2 – “Mehr Pionierarbeit”. Wenn ich meine drei Kollegen hier richtig verstehe, dann meinen sie damit auch mehr Mut zur Lücke, wenn sie von “unsicherem Terrain” und “Mut zu Experimenten” schreiben. Für Bauprojekte werden wir aber voraussichtlich auch weiterhin möglichst eindeutige und messbare Projektziele definieren müssen, um Umfang, Kosten und Termine in den Griff zu bekommen. Selbst dann, wenn der Lösungsweg nicht immer klar sichtbar ist. Schließlich ist ein Bauwerk immer ein Unikat und hat somit per se schon einen Hauch von Pionierarbeit.
Artikelbild: “Do You Remember … The Future?” von JD Hancock auf flickr.com
[…] zu finden. Im Bezug auf das Bauwesen habe ich mich in vergangenen Frühjahr schon einmal in einem Blogartikel hier mit diesen sieben Thesen auseinander […]