Was wäre, wenn alle Projekte gleich wären? Wenn sie immer nach dem selben Schema ablaufen würden? Dann gäbe es vermutlich einen Standard, nach dem alle diese Projekte abgewickelt werden könnten, oder? Aber das entspricht nicht der Realität, denn die Welt der Projekte ist bunt und könnte unterschiedlicher nicht sein. Schon die Vielfalt an Projektarten zeugt davon – von Filmprojekten, Software-/IT-Projekten, Entwicklungshilfeprojekten bis hin zu Bauprojekten spannt sich der Bogen. Und bei all diesen vielen verschiedenen Projekten treffen zudem die unterschiedlichsten Menschen aufeinander, um gemeinsam daran zu arbeiten. Es liegt also nahe, dass ein PM-Standard eigentlich nur den kleinsten gemeinsamen Nenner dieser Vielfalt darstellen kann. Ein dogmatisches Festhalten an Methoden und Vorgehensmodellen kann die Planung und Abwicklung eines Projektes deutlich erschweren. Analog verhält sich das übrigens bei den Führungsstilen.
Zur Unternehmensführung haben sich verschiedene Stile entwickelt. Denn man hat erkannt, dass nicht alle Führungsstile für jede Art von Unternehmen gleichermaßen geeignet sind. So hat zum Beispiel der autokratische Führungsstil gegenüber dem demokratischen Führungsstil sowohl Vor- als auch Nachteile und führen beide nicht in jeder Situation bzw. Phase im Lebenszyklus eines Unternehmens ans (gewünschte) Ziel. Die Königsdisziplin ist der situative Führungsstil, bei dem die Führungskraft ihren Führungsstil an die Erfordernisse der jeweiligen Situation anpasst, aber dennoch authentisch bleibt. Dieses situationsbedingte Einsetzen verschiedner Führungsstile erfordert zum einen ausreichende Kenntnis über jeden einzelnen davon und zum anderen entsprechende Erfahrung mit jedem Führungsstil und das notwendige Gefühl – man kann es auch als Intuition bezeichnen – wann der richtige Zeitpunkt für den Wechsel von einem Führungsstil zum anderen gekommen ist.
Es geht also um Methodenwissen, Kompetenz durch Erfahrung und die sich daraus ergebende intuitive Entscheidungsfähigkeit.
Und so ist das eben auch sinngemäß im Projektmanagement. Denn Projekte sind verschieden und zudem durchläuft jedes Projekt in seinem Lebenszyklus unterschiedliche Projektphasen, die nicht nur verschiedene Führungsstile sondern auch Methoden zur Steuerung des Projektes erfordern. Dabei reicht die Bandbreite vom klassischen Wasserfallmodell über kybernetische und systemische Methoden bis hin zum agilen Projektmanagement. Und analog der situativen Führung sind für das situative Projektmanagement Wissen und Erfahrung in gebündelter Methodenkompetenz Voraussetzung. Situatives Projektmanagement kann man also nicht in Büchern lesen und auch nicht an (Hoch)Schulen lernen. Praxis auf den verschiedensten Gebieten des Projektmanagement ist unerlässlich, um den für das situative Projektmanagement erforderlichen intuitiven Erfahrungsschatz aufbauen zu können.
Bei diesem intuitiven Erfahrungsschatz geht es um die Entwicklung eines Gespürs für die Eignung von Vorgehensweisen und Methoden in unterschiedlichen Situationen bzw. Phasen in Projekten. Eine kreative Planungsphase in einem Bauprojekt kann man durchaus mit agilen PM-Methoden aufsetzen. In der Ausführungsphase – also beim Bau selbst – sind agile Methoden dann eher weniger brauchbar und empfiehlt sich hier der Wechsel auf eine klassische PM-Methode.
In der PM-Ausbildung ist daher ein möglichst breites Spektrum an Methoden und Vorgehensmodellen zu integrieren. Das bloße Vorbeten eines PM-Standards greift einfach zu kurz. Und man darf auch ruhig einen Blick über den Tellerrand wagen, um in Erfahrung zu bringen, wie Projekte in anderen Branchen bzw. Ländern abgwickelt werden.
Bildnachweis: Das Artikelbild “Situation Room“ wurde von Alex Eylar (Profound Whatever) auf Flickr unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-SA 2.0) veröffentlicht.
Hallo Thomas,
toller Beitrag, dem ich nur voll und ganz zustimmen kann! Ich habe selbst einige Management Seminare besucht, die mich allesamt sehr weitergebracht haben. Neben der PM Methodenkompetenz darf aber auch die zugehörige Fachkompetenz nicht vergessen werden. Ich als IT-Techniker werde wahrscheinlich wenig erfolgreich sein, wenn ich dich als Bauingenieur in einem Projekt aus deinem Fachbereich anleiten soll. 😉
Liebe Grüße,
Martin
Hallo Martin, danke für Deinen Kommentar! Und mit der Fachkompetenz hast Du natürlich recht. Die ist Voraussetzung, um mit dem Projektteam auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Das habe ich zwar nicht explizit so im Beitrag erwähnt, aber mit der Erfahrung zusammen zumindest so gemeint. Die drei wesentlichen Säulen, auf denen ein erfolgreicher Projektmanager aufbaut, sind ja Methodenkompetenz, Fachkompetenz und Sozialkompetenz. In allen drei Bereichen kann man mit zunehmender Erfahrung seine Kompetenz verstärken, auch auf der intuitiven Ebene.
[…] verbundenen Komplexität und einer Vielzahl weiterer, projekt-individueller Faktoren abhängig und situativ zu behandeln. Daher wird es in Zukunft besonders wichtig sein, möglichst viele Methoden, Prozesse, […]
[…] die einzelnen Kompetenzbereiche miteinander zu vernetzen. Auch situationsabhängig. Quasi situatives Projektmanagement, wie vor einiger Zeit hier schon […]