Projekte leben von und durch Kommunikation. Eines der zentralen Kommunikationsmedien der Gegenwart ist die gute alte E-Mail. Ja die E-Mail ist alt, richtig alt sogar. Bereits 1971 wurde der erste elektronische Brief von Ray Tomlinson verschickt. Das Versenden von elektronischen Nachrichten war auch schon in den 1980er-Jahren im damaligen ARPANET sehr beliebt. Mit der Verbreitung des Internets in den 1990er-Jahren wurde die E-Mail rasch zu einem Standardkommunikationsmittel und ersetzt seither Telefax, Telegramm und Briefe mehr oder weniger komplett.
Dass die Kommunikation via E-Mail Segen und Fluch zugleich ist, habe ich hier schon vor längerem einmal geschrieben. Und dass man sich davon keinesfalls stressen lassen sollte, ist dort ebenfalls nachzulesen. Was ich damals noch nicht bedacht hatte und was ich jedoch in den letzten Monaten verstärkt beobachten konnte, ist die Verwendung des E-Mail-Posteingangs als Projektmanagement-Werkzeug – Projektmanagement quasi aus der Inbox.
Aber wie funktioniert Projektmanagement aus der Inbox eigentlich? Man kann sich das so vorstellen: Der Projektmanager benutzt für alle seine Tätigkeiten primär sein Mailprogramm. Dort bekommt er die relevanten Nachrichten zu seinem Projekt und legt diese nach unterschiedlichen Kategorien in einem mehr oder weniger strukturierten Verzeichnisbaum ab – oder lässt einfach alles in der Inbox. Manche E-Mails werden – sofern das Mailprogramme das unterstützt – mit Farben und bunten Fähnchen gekennzeichnet. In einem Artikel im ProjektMagazin.de habe ich unlängst gelesen, dass man so genannte Team-Postfächer einrichten kann, mit denen man die Mail-Kommunikation in einem Projektteam angeblich effizienter gestalten könnte.
Aber genau das sehe ich kritisch. Die E-Mail selbst und der Posteingang oder ein anderer Ordner im Mail-Programm sind meiner Meinung und Erfahrung nach schlechte Werkzeuge für die Projektorganisation oder das Aufgabenmanagement. Natürlich werden Aufgabenstellungen an Projektmitarbeiter gerne per E-Mail übermittelt. Das eignet sich am besten für Routinetätigkeiten wie zum Beispiel Rechnungsprüfungen, Einladungen zu Meetings, udgl. Die Texte dieser E-Mails lassen sich kurz, klar und zielgerichtet formulieren, zum Beispiel: Bitte um Prüfung und Freigabe der beiliegenden Rechnung.
Komplexere Sachverhalte, wie beispielsweise das Klären einer technischen Frage, führen meist zu langen Texten und E-Mail-CC-Orgien, die auch noch die Gefahr von Missverständnissen bergen können. Dafür ist die Besprechung ein deutlich besser geeignetes Medium. Ob die Besprechung dann face-to-face oder per Videocall zum Beispiel via Skype stattfindet, ist dabei egal. Auch der Griff zum Telefonhörer (bzw. der Telefonapp am Smartphone) wäre eine geeignete Methode.
Für die Projektdokumentation ist die Inbox ebenfalls ungeeignet. Dafür gibt es bessere Werkzeuge, beispielsweise eine Projektplattform mit gemeinsamer Datenablage inklusive Versionierung. Nur so kann sichergestellt werden, dass jeder Projektmitarbeiter auch stets den Letztstand der benötigten Informationen abrufen kann. Selbst wenn der Projektmanager ein versierter Sucher in seiner Inbox und in allen Ordnern seines Mailprogramms ist, kann bestenfalls – aber eben nicht muss – die Suche in der eigenen Inbox nach dem Letztstand der Kostenermittlung oder dem Steuerungsterminplan zum richtigen Ergebnis führen. Erwischt man aber die falsche Version, dann haben die daraus resultierenden Fehler eventuell fatale Folgen.
Zum Abschluss noch mein persönliches Highlight der letzten Wochen: schreibt ein Inbox-Projektmanager am Samstag Abend in einer E-Mail „Bitte um Deinen Rückruf am Montag gleich in der Früh“. Was wäre wohl passiert, wenn ich diese E-Mail dann erst am Montag Nachmittag gelesen hätte? 😉