Dass die Baubranche nicht gerade blitzartig reagiert, wenn es um den Einsatz und das Anpassen neuer Technologien geht, sondern eher konservativ agiert, ist keine großartig neue Erkenntnis. Ausnahmen bestätigen diese Regel natürlich immer wieder. Ein Artikel, der vor ein paar Wochen erschienen ist, titelt nun recht reisserisch, dass die „Baubranche total ineffizient“ sei. Ursache dafür sei auch eine „innovstionsfeindliche Grundhaltung“. Aber sind diese Behauptungen überhaupt gerechtfertigt? Und warum ist es zu wenig, das nur bloß aufzuzeigen?
Besagter Artikel stützt sich auf eine für Pressezwecke freigegebene Zusammenfassung über die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner aus dem Juli 2019 im Auftrag eines dort nicht näher genannten international tätigen Baukonzerns.
Die Studie attestiert der Baubranche mangelnde Industrialisierung und eine innovationsfeindliche Grundstimmung. Die Bauwirtschaft sei darüber hinaus „der einzige Wirtschaftssektor, der in den letzten rund zwanzig Jahren an Produktivität verlor“. Und das trotz nominalem Wachstum um drei Prozent pro Jahr, weil nämlich ebendieses Wachstum rein preisgetrieben sei. Die Arbeitsproduktivität bezogen auf die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden sinkt hingegen im Durchschnitt um 0,6 Prozent pro Jahr, in Summe seit 1995 um insgesamt 9,3 Prozent. Demgegenüber stieg nach dieser Studie in den Jahren 1995 bis 2018 die Arbeitsproduktivität über alle Wirtschaftsbereiche um knappe 33 Prozent bzw. 1,7 Prozent pro Jahr an.
Das ist in der Tat ein erschreckendes Ergebnis. Zumal die Studie auch zu dem Ergebnis kommt, dass „der Anteil der Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklungen (F&E) bei gerade einmal 0,35 Prozent der Bruttowertschöpfung“ liegen, während dieser Anteil für alle anderen Wirtschaftsbereiche das ca. siebenfachen beträgt.
Rasch könnte man schlussfolgern, dass logischerweise Innovationen eher bescheiden bleiben, wenn nur wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird. Der gesamten Branche eine innovationsfeindliche Grundhaltung vorzuwerfen, ist jedoch etwas vermessen. Es ist auch zu wenig, das einfach nur aufzuzeigen und mit ein paar statistischen Daten zu hinterlegen. Mag sein, dass so vielleicht ein Problem adressiert werden kann, für eine Lösungsfindung oder eine Zukunftsrichtungsangabe ist es aber zu wenig. Und was die derzeitige Situation der Baubranche betrifft, ist es auch nicht richtig. Denn es passiert doch einiges: beispielsweise mit und durch digitale Transformation. Zwar scheint es derzeit so, dass die gesamte Baubranche in Sachen BIM, Robotik, künstliche Intelligenz und digitale Prozesse noch primär mit sich selber beschäftigt sei. Etwas kindlich wird versucht, die Digitalisierung als Add-on an die Baubranche anzudocken. Aber es gibt auch schon deutlichere Vorhaben, die den Aufbruch in der Branche sichtbar machen, wie beispielsweise Vermessung mit Drohnen, oder GPS-gesteuerte, autonome Erdbaumaschinen. Die Entwicklungen in der digitalen Bauwerksplanung mit BIM hinken zwar den Möglichkeiten noch hinterher. Jedoch zeichnet sich ein Trend schon sichtbar ab, wenn man über die Grenzen zum Beispiel nach Skandinavien blickt. Dazu bedarf es hierzulande allerdings noch einiger Veränderungen, die auch altbewährte Grundlagen wie Leistungsbilder und den Planungsprozess mit seiner kaskadenförmigen Iteration an sich betreffen. An all dem kann man ablesen, dass solche tiefgreifende Veränderungen nicht schnell erledigt sind, sondern viel Zeit brauchen – und in der Baubranche aufgrund der vielschichtigen gesellschaftlichen Durchwirkungen eben besonders viel Zeit.
Von einer aussagekräftigen Studie würde ich mir erhoffen, dass sie nicht nur Versäumtes aufzeigt, sondern auch die zukünftigen Herausforderungen, denen sich die Baubranche als sprichwörtliche Wegbereiterin der menschlichen Zivilisation stellen muss. Schon jetzt und ganz ohne Studie tun sich da neben der Digitalisierung beispielsweise die Themenfelder Energie, Wasser und Klimawandel auf.
Und abschließend noch ein Nachsatz zu den F&E-Investitionen: die können natürlich noch gesteigert werden. Zu bedenken ist dabei jedoch auch, wie schwer es ist, ein F&E-Projekt erfolgreich zu platzieren. Alleine die Beantragung verschlingt Ressourcen, die nicht zu unterschätzen sind. Und wenn dann von zehn gestellten Anträgen vielleicht einer genehmigt wird, dann musste am Weg dorthin einiges an Energie aufgewendet werden, die vielleicht sinnvoller direkt in die Entwicklung von Innovation und Fortschritt investiert worden wäre. Bloß können sich sowohl das eine als auch das andere nur wenige Unternehmen leisten. Das in einer Studie nur zu rügen, ist dann leider ineffektiv.
Insgesamt muss man leider schon sagen, dass wir nicht gerade Innovationsweltmeister sind. Ich glaube jedoch, dass sich das durch die jungen Kollegen verändert. Der Generation Y und Z liegt die Digitalisierung im Blut. Die „digital natives“ werden hier zukünftig einiges bewirken. Nichts desto Trotz bin ich auch den Ansicht, dass ein bisschen mehr Investition in Forschung und Entwicklung unserer Branche gut tun würde.
Ich bin aber sehr gespannt, was die nächsten Jahre bringen werden. Wenn man an den bereits jetzt sichtbaren, aber noch lange nicht am Höhepunkte befindlichen, Fachkräftemangel denkt, sind tiefgreifende Veränderungen unvermeidlich!
Es wird also spannend!
Danke für den Kommentar! Mal abgesehen vom Fachkräftemangel ist die Digitalisierung sicher eine riesige Herausforderung für die Branche. Derzeit sind wir aber noch mit uns selber in Sachen Digitalisierung beschäftigt. Es wird versucht, z.B. den bisherigen Planungsprozess mit BIM zu bewältigen. Das ist m.E. nicht zielführend. Es braucht neue Herangehensweisen und Methoden (z.B. agiles PM, etc.) und da freue ich mich auch auf den Input der „digital natives“! Dann wird es sicher sehr spannend!
Von der innovationsfeindlichen Grundstimmung konnte ich mich erst kürzlich überzeugen als ich bei einem renomierten Architekturbüro zum Bewerbungsgespräch geladen war und erfahren musste, dass dort auch 2019 immer noch mit AutoCAD gezeichnet wird.
Ich glaube man darf mit der Baubranche nicht ganz so streng sein wie mit anderen Branchen, da hier sehr viele unabhängige Planer zusammenarbeiten während diese in anderen Branchen unter dem selben Dach sitzen – so zumindest meine Vermutung (bspw. Automobilindustrie ?)
Dennoch sehe ich viel Luft nach oben wenn es um den Austausch von Geometrie und allen anderen Informationen geht. Mein Wunschtraum: ausgereifte Software unterschiedlicher Hersteller mit voller Interoperabilität.
Danke für den Kommentar, Lukas! Es ist definitiv noch sehr viel Luft nach oben, nicht nur in Sachen Digitalisierung (der Planungsprozesse). Und es liegt an uns, diesen Weg zu gestalten! Und ich stimme dem zu, dass man nicht zu streng sein und mit anpacken sollte. Neues Jahr(zehnt), neues Glück und neuer Elan …