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Mit dem iPad auf der Baustelle

Seit Ende Juli setze ich ein iPad nicht nur als Couch-Computer ein, sondern verlange ihm entgegen der in den meisten Medien verbreiteten Meinung einiges mehr ab. Bei mir muss das iPad nämlich als Ergänzung zu einem „normalen“ Rechner im Büro funktionieren und wird nicht nur als digitale Schiefertafel zum Internetsurfen und versenden von eMails verwendet. Das Einsatzprofil reicht vom ständigen Begleiter auf meinen Baustellen (z.B. zum raschen Nachsehen vor Ort in Planunterlagen) bis hin zum Erfassen von Protokollen direkt in den Projektbesprechungen. Soviel vorab: Mission (fast) erfüllt. Aber nun schön der Reihe nach …

Hardware
Das iPad selbst ist in typischer Apple-Manier schlicht gehalten und auf des Notwendigste reduziert. Gezählte vier Hardware-Bedienelemente stehen von außen erkennbar zur Verfügung: zum Ein- und Ausschalten, lauter und leiser drehen, zum Beenden laufender Programme (der so genannte „Home“-Button) sowie zum Sperren der automatischen Drehung des Bildschirminhaltes bei Wechsel der iPad-Position. In Summe verfügt das iPad über drei Anschlussmöglichkeiten: eine für einen iPhone-kompatiblen Kopfhörer (ist nicht im Lieferumfang enthalten), ein Apple-Universaldock und ein Einschubfach für eine Microsimkarte (nur bei den 3G-Geräten). Ein (etwas übersteuernder) Lautsprecher und ein tiefer gesetzter Reset-Knopf neben der Kopfhörerbuchse runden die von außen erkennbaren Anschlüsse und Bedienelemente ab. Im Inneren tickt ein 1 GHz schneller Apple A4 SOC-Chip als Prozessor und stehen von 16 bis 64GB große Speichermodule zur Aufnahme der Daten bereit. Das 9,7″ Multi-Touch-Widescreen-Display liefert eine Auflösung von 1024 x 768 Pixeln und besticht durch eine wunderbare Leuchtkraft, jedoch ist der Einsatz im Freien bei (direktem) Sonnenlicht kaum möglich, weil es zu stark spiegelt bzw. auch reflektiert.

Rein Äußerlich ist das iPad ein echter Hingucker. Zwar habe ich mir das iPad flacher vorgestellt, denn mit dem kleinen Bäuchlein an der Rückseite habe ich nicht gerechnet, aber das tut der Optik nur einen kleinen Abstrich, sorgt jedoch auf einer ebenen Fläche (z.B. auf einer Tischplatte) für einen etwas wackeligen Eindruck. Der schwarze Rahmen um das Display ermöglicht ein angenehmes Angreifen des Tablet-Rechners. Überhaupt ist die Haptik des iPad sehr gelungen und liegt das Gerät angenehm in den Händen bzw. am Schoß.

Und noch etwas hat Apple mit dem iPad besonders gut hinbekommen: den Akku! Einmal vollständig aufgeladen, kann man damit wunderbar einen ganzen Tag mit WLAN- und/oder 3G-Verbindung durchgehend arbeiten. Ich hab’s sogar mit ein bisschen reduzierter Bildschirmbeleuchtung geschafft, dass das iPad erst nach drei Tagen wieder an die Steckdose wollte.

Software
Über das Betriebssystem werde ich mich hier nur wenig auslassen und auch über die bereits (meist schon vom iPhone oder Mac gut bekannten) vorinstallierten Programme braucht man eigentlich nicht mehr viel berichten (das kann man in den Computer-Fachmagazinen viel besser nachlesen). Denn schließlich erfüllen Mail, Kalender, Kontakte, Safari, Fotos, iPod und Co. ihre jeweiligen Aufgaben meist (sehr) zufriedenstellend. Vielmehr werde ich eine Auswahl an Apps kurz vorstellen, die für den professionellen iPad-Einsatz erforderlich sind:

iWorks
Apples Office-Suite bestehend aus Numbers, Pages und Keynote gibt es auch fürs iPad. Jedes der drei Programme kann einzeln im App-Store gekauft werden. Allerdings schafft keines der drei Programme den vollen Funktionsumfang und muss man sogar teilweise mit massiven Einschränkungen leben (z.B. keine Kopf-/Fusszeilen in Numbers, keine Filtermöglichkeiten in Numbers, keine Unterstützung automatischer Inhaltsverzeichnisse in Pages, etc.). Am besten – also mit den wenigsten spürbaren Einbussen – wurde meiner Meinung nach Keynote umgesetzt. Pages verfügt auch über einen ausreichenden Funktionsumfang, um damit einen längeren Text zu verfassen. An die Erstellung eines automatischen Inhaltsverzeichnisses braucht man aber erst gar nicht zu denken. Natürlich kann man mit allen drei Programmen am MAC oder PC erstellte Dokumente öffnen (XLS, DOC und PPT können auch geöffnet werden), weiterverarbeiten und dann wieder via Mail versenden oder über iWork.com bzw. iTunes (etwas umständlich) auf den Rechner spielen.

Numbers im App-Store (42,8 MB, 7,99 EUR)
Pages im App-Store (42,0 MB, 7,99 EUR)
Keynote im App-Store (52,9 MB, 7,99 EUR)

Merlin
Die Projektmanagementsoftware für den Mac kann selbst umfangreichere Projektpläne für das iPad (und auch das iPhone) kompilieren. Dabei wird sogar eine Balkenplanansicht unterstützt, wenn man bei laufender Merlin-App das iPad ins Querformat kippt. Eine Zeitskala oder das Einblenden der Datumsangaben zu den Vorgängen wäre jedoch hilfreich. Getestet habe ich die App mit Projektplänen, in denen ca. 1000 Vorgänge dargestellt und auch in gegenseitigen Abhängigkeiten stehen. Jedoch ein wenig übertrieben finde ich die eigene Lizenz für das Publizieren von Merlin-Projektplänen für iPad und iPhone, die man für stolze 50 € zusätzlich erwerben muss.

Merlin im App-Store (1,8 MB, Gratis-App)

iDisk
Für Nutzer von Apples Mobile.Me bietet die iDisk eine tolle Möglichkeit, um Daten zwischen mehren Rechnern (sowohl MACs als auch PCs) völlig automatisiert zu synchronisieren. Für das iPad stellt Apple dafür eine eigene App zur Verfügung, mit der man Zugriff auf alle Daten der iDisk hat und sogar Dateien für Dritte freischalten kann. Leider kann man mit der iDisk-App am iPad aber nur Ordner und Dateien ansehen. Am iPad produzierte Daten können derzeit noch nicht auf der iDisk gespeichert werden. Eine Alternative bietet Dropbox für alle jene, die den kostenpflichtigen Mobile.Me-Dienst von Apple nicht nutzen (wollen).

iDisk im App-Store (3,4 MB, Gratis-App)
Dropbox im App-Store (4,6 MB, Gratis-App)

Conject
Conject ist einer der führenden Anbieter für so genannte virtuelle Projekträume im Internet speziell für Bauprojekte. Es handelt sich dabei um einen webbasierten Hosting-Dienst, mit dem sämtliche Projektdaten für alle Projektbeteiligten nach genau definierten Rollen und Berechtigungen zentral gespeichert werden und somit von überall via Internet abgerufen werden können. Speziell für das iPad hat Conject eine App entwickelt, mit der man (zumindest passiven) Zugriff auf die in Conject angelegten Projekte samt den jeweiligen Daten hat.
Die App baut auch bei Edge-Empfang die Verzeichnisstrukturen rasch auf. Intuitiv und einfach kann man damit auch unterwegs das Protokoll der letzten Projektbesprechung lesen oder in einem Plan direkt auf der Baustelle etwas nachsehen (alldings nur in PDF-Plänen, denn DWG oder DXF wird von iOS noch nicht unterstützt). Leider fehlt das eigentlich wichtigste des Conject-Projektraumes aber in der App: das Kommunikationsmodul! Neue Dateien einstellen oder für andere Projektbeteiligte direkt in der App freigeben klappt auch noch nicht.

Conject im App-Store (3,6 MB, Gratis-App)

Mindmeister
Mindmeister ist ein collaboratives Minmapping-Tool, mit dem man bequem unterwegs am iPad eine Mindmap erstellen kann. Die Mindmap wird dann im kostenlosen Online-Account bei mindmeister.com abgelegt und man kann diese Mindmap dann am MAC oder am PC im Büro oder zu Hause weiter bearbeiten oder mit einem Arbeitskollegen online gemeinsam ergänzen.

Mindmeister im App-Store (3,5 MB, 5,99 EUR)

Und was am iPad noch nicht fehlen sollte …

Was noch schön (gewesen) wäre …
Zunächst kann ich attestieren, dass das iPad in Sachen Mobilität derzeit nicht nur aufgrund der handlichen Abmessungen unübertreffbar ist. Nach dem Einschalten ist es nämlich sofort funktionsbereit, kein Bootvorgang oder Einwählen in ein UMTS-Netz behindern die Arbeit und es ist intuitiv bedienbar. Mittlerweile bleibt bei mir das Notebook sogar im Büro liegen und es kommt nur mehr das iPad in die Tasche, wenn ich unterwegs bin. Allerdings gibt es nach den bisherigen Erfahrungen noch ein paar Wünsche, die in einer zukünftigen Softwareversion (ist ja bereits für Ende 2010 angekündigt worden) bzw. in einer nächsten Gerätegeneration zur Verbesserung deutlich beitragen würden:

  • Ohne iTunes geht gar nichts: will man Dateien auf das iPad laden, geht das nur etwas umständlich über einen MAC oder PC mit iTunes. Da das iPad über einen eingebauten Speicher von bis zu 64 GB verfügt, wäre es jedenfalls wünschenswert, wenn man Daten direkt dort abspeichern könnte und auch ein Austausch dieser Daten z.B. mit einem Desktop-Rechner ohne iTunes via WLAN möglich wäre. Ein Dateimanager (z.B. der Finder in einer mobilen Version) zum Navigieren durch das Dateisystem am iPad wäre dazu noch das Sahnehäubchen.
  • Veraltetes iOS: auf dem iPad läuft aktuell die iOS-Version 3.2.2, hingegen auf den meisten iPhones schon die Version 4.1. Leider ist mit der Version 3.2.2 kein Multitasking möglich, können keine Ordner zum Gruppieren von Apps am Homescreen angelegt werden und dergleich mehr. Ebenso wäre eine Druckfunktion direkt vom iPad eine wirklich feine Sache. Für die iOS-Version 4.2, die dann auch am iPad laufen soll und für Oktober oder November 2010 angekündigt ist, soll das alles kein Problem mehr sein.
  • Keine Termineinladungen: leider kann das iOS am iPad nichts mit Termineinladungen im Kalender anfangen, die z.B. via eMail einlangen. Das Problem kennt man bereits vom iPhone und wurde das von Apple verwunderlicher Weise auch für die iOS-Version 3.2.2 nicht behoben. Ebenso kann man beim Anlegen eines Termins in der Kalender-App noch keine Teilnehmer dazu einladen. Vielleicht wird dieses Manko auch mit der neuen Version 4.2 behoben sein …
  • USB-Schnittstelle: Apple hat dem iPad keine USB-Schnittstelle spendiert. Was genau die Motivation dafür war, ist für mich nicht ganz nachvollziebar. Es gibt aber bereits Adapter, die aus dem Universaldock einen USB-Anschluss zaubern. Für eine nächste Gerätegeneration wäre allerdings eine direkt im iPad eingebaute USB-Schnittstelle wünschenswert, damit z.B. eine Digitalkamera direkt an das iPad angeschlossen und die Bilder in die Fotos-App importiert werden können. Über Umwege mit Hilfe von Mobile.Me oder Flickr und dem iPhone als Kamera geht das zwar auch ohne USB-Schnittstelle, komfortabel ist das allerdings nicht.
  • Mehr Funktionalität in iWorks: Mit der ersten Version der iWorks-Suite für das iPad hat Apple die Office-Tauglichkeit des Tablet-Rechners ermöglicht. Für ein Update stehen insbesondere die Reduktion der teilweise gravierenden Einschränkungen in Numbers und Pages sowie eine Verbesserung der Optik (weg von diesem Holzbrett-Look – gilt übrigens auch für Kalender, iBooks, etc.) ganz oben auf der Wunschliste.

9 Kommentare

  1. interessante Beschreibung des Ipad-Einsatzes in der Baubranche auf der Baustelle – schön, dass nicht die üblichen Apps besprochen werden. Da kann das Ipad doch deutlich mehr als nur Video / Musik und einen echten Mehrwehrt für die tägliche Arbeit bringen.

  2. @Wilhelm Adt: Genau das war das Ziel des Beitrages und des Tests 😉 Eigentlich müsste ich den Beitrag schon wieder erweitern, denn in der Zwischenzeit gibt es eine AutoCAD-Version für’s iPad und einiges mehr … vielleicht kommt demnächst eine Fortsetzung hier im Blog …

  3. Das Lustige ist, dass im Deutschen Bundestag Notebooks nicht erlaubt sind – der iPad aber sehr wohl. Da beiß ich mal in einen frischen Apfel.

  4. Interessant, dass Conject gratis ist. Ich leite eine Baustelle und finde Digitalisierung entscheidend. Ich habe gerade ein iPad gekauft und bin auf der Suche nach Softwares, um meine Projekte am besten zu organisieren. Danke für den Beitrag, ich werde definitiv die Apps checken!

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