Produktivität

Sieben Gründe, warum ich Obsidian nutze

Eine der zehn Thesen des deutschen Industriedesigners Dieter Rams lautet „Gutes Design ist so wenig Design wie möglich„. Vom optischen Design her betrachtet, hat Obsidian – sagen wir mal – noch etwas Luft nach oben. Aber gutes Design besteht nicht nur aus Optik. Es wird auch von der dahinter liegenden Architektur maßgeblich beeinflusst. Und da punktet Obsidian mit Offenheit und Flexibilität. In diesem Beitrag beschreibe ich, warum Obsidian eine integrierte Produktivitätsumgebung und nicht bloß ein Markdown-Editor ist und aus welchen Gründen ich die App so gerne nutze.

PKM App Stack vs. all in one

Im Buch Building a Second Brain propagiert Tiago Forte ein Set aus mehreren Apps, mit denen man ein sogenanntes PKM – ein Personal Knowledge Management – aufbauen und bespielen kann. Er geht sogar so weit, dass er den Einsatz mehrerer Notizen-Apps empfiehlt, je nach Art der Notiz, die man gerade erstellen möchte. Ähnliche – wenngleich deutlich weniger stark ausgeprägte – sogenannte PKM App Stacks habe ich auch in den letzten Wochen während der Kurse in der Obsidian University gesehen. Dabei reichte die Palette von einer App zum Erfassen von Ideen und Gedankenblitzen, über einer App für das Aufgabenmanagement bis hin zu einer App zum Sammeln von noch zu lesenden Artikeln, Büchern und Webseiten. Und Sönke Ahrens empfiehlt in seinem Buch über das Zettelkasten-Prinzip ebenfalls, jeweils eine eigene App für den Zettelkasten an sich, die Literaturverwaltung samt zugehörigen Notizen und das Schreiben zu verwenden.
Nach dem Motto, für jede Aufgabe eine speziell dafür geeignete App baut man sich einen oftmals auch nicht ganz günstigen Werkzeugkasten und ist dann gezwungen, ständig zwischen verschiedenen Apps zu wechseln, um das eigene Wissensmanagement-System aufbauen und bewirtschaften zu können.

Für mich ist jedoch die Gefahr zu groß, dass ich beim oftmaligen hin und her wechseln zwischen verschiedenen Apps etwas übersehe, vergesse oder gar verliere. Zudem komme ich so nicht in einen kontinuierlichen und kreativen Arbeitsfluss. Nicht zuletzt werde ich durch das Wechseln zwischen den Apps abgelenkt und verliere den Fokus.
Daher habe ich mich dazu entschlossen, alles rund um Notizen für das Wissensmanagement (auch für eine Schnellnotiz oder den Geistesblitz unterwegs), die Literaturverwaltung, das spätere Lesen, das Projekt- und Aufgabenmanagement, sowie die Schreibarbeit in Obsidian zu konzentrieren.

Integrated Productivity Environment

Diese Konzentration von zunächst unterschiedlichen Arbeitsprozessen in einer App ist mit Obsidian durchaus sinnvoll möglich. Schließlich wird Obsidian nicht nur als Werkzeug für das Personal Knowledge Management, sondern in Anlehnung an eine Integrated Development Environment (kurz: IDE) als integrierte Entwicklungsumgebung für Textdateien im Markdown-Format bezeichnet. Der neue Slogan „Sharpen your thinking“ auf der Webseite von Obsidian legt auch die Bezeichnung Integrated Thinking Environment (kurz: ITE) nahe.

Meiner Meinung und bisherigen Erfahrung nach kann Obsidian aber noch mehr leisten. Die App ermöglicht es nämlich nicht nur, Wissen zu speichern und abrufbar zu machen, sowie darüber zu reflektieren. Mit Obsidian können die Abläufe für kreatives und auch produktives Arbeiten unter einem digitalen Dach vereint werden. Es ist der Sweet Spot sowohl für kreative und produktive Prozesse wie Denken und Schreiben, als auch für Tätigkeiten zur Unterstützung der eigenen Produktivität, wie beispielsweise die Projektplanung und das Aufgabenmanagement.
Daher bezeichne ich Obsidian als Integrated Productivity Environment (kurz: IPE) – also eine integrierte Produktivitätsumgebung.

Sieben Gründe

Obsidian bringt alle Voraussetzungen mit, um als integrierte Produktivitätsumgebung genutzt werden zu können. In Summe gibt es dafür sieben Gründe, von denen schon jeder einzelne für den Einsatz von Obsidian spricht:

  1. Markdown: Alle Notizen in Obsidian sind Markdown-Dateien, also reine Textdateien, die in einem Ordner (Vault genannt) lokal auf der Festplatte des eigenen Rechners abgelegt werden.
  2. Zukunftssicher: Durch das offene, nicht proprietäre Markdown-Format sind die mit Obsidian erstellten Notizen zukunftssicher, weil sie auch mit anderen Markdown-Editoren oder einfachen Texteditoren gelesen und bearbeitet werden können. Selbst dann, wenn man Obsidian nicht mehr verwenden möchte oder die App eines Tages nicht mehr existieren sollte.
  3. Anpassbar: Durch die Plugin-Architektur kann Obsidian flexibel angepasst und erweitert werden. Mit der richtigen Auswahl an Plugins und dem Wissen, wie man sie einsetzt, kann man Obsidian zur integrierten Produktivitätsumgebung ausbauen.
  4. Zettelkasten: Eine der großen Stärken von Obsidian ist die Möglichkeit, durch bidirektionale Links wechselseitige Verbindungen zwischen Notizen und Dateien herzustellen. Als Grundlage für ein Wissensmanagement-System und die Denk- und Schreibarbeit kann man damit eine digitale Version des Luhmann’schen Zettelkastens erzeugen, der in der Graphen-Ansicht sogar visualisiert wird und so den Erkenntnisgewinn auch grafisch unterstützt.
  5. Geschwindigkeit: Obsidian ist unglaublich schnell. Selbst Vaults mit mehreren tausend Notizen sind selten ein Problem.
  6. Kostenlos: Obsidian ist für Privatanwender kostenlos. Verwendet man für den Obsidian-Vault die Synchronisation über iCloud Drive, fallen dafür auch keine zusätzlichen Kosten an.
  7. Gemeinschaft: Rund um Obsidian hat sich eine sehr aktive und sympathische Community entwickelt. Das Angebot reicht dabei vom Obsidian-Forum über diverse YouTube-Tutorials, Blogbeiträge bis hin zu online Kursangeboten, Hashtags auf Mastodon und Gruppen bei Lemmy.

Fazit

Obsidian lässt sich durch seine Offenheit und Flexibilität gut an die eigenen Bedürfnisse und Anforderungen anpassen. In meinem Arbeitsalltag konnte durch den Einsatz von Obsidian als integrierte Produktivitätsumgebung so manches vereinheitlicht und zusammengefasst werden. Dadurch wurde auch mein App-Werkzeugkasten um einiges erleichtert. Doch bei all der Begeisterung für die Werkzeuge und Apps, mit denen man arbeitet, sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass sie stets nur das Vehikel für eine produktive Arbeit und nicht das Ziel sind.