Produktivität

Was bedeutet eigentlich PKM?

PKM ist eine Abkürzung bzw. ein Akronym für viele Begriffe. Die Palette reicht von Personenkilometer über Pomorska Kolej Metropolitalna, das ist die Pommersche Eisenbahngesellschaft in Danzig, bis hin zu Personal Knowledge Management. Historisch betrachtet ist das Personal Knowledge Management, wie wir es heute kennen, noch keine 30 Jahre alt. Aber seine Geschichte reicht bis ins antike Rom und Griechenland zurück. Und methodisch hat PKM um einiges mehr zu bieten, als bloß als Notizensammlung betrachtet zu werden.

Persönliches Wissensmanagement, auf Englisch mit Personal Knowledge Management bezeichnet und daher mit PKM abgekürzt, ist ein Prozess für das Sammeln, Verarbeiten und Vorhalten von Daten, Informationen und Wissen. Mit Verarbeiten und Vorhalten sind dabei insbesondere Tätigkeiten wie Erfassen, Klassifizieren, Speichern, Suchen, Abrufen und Teilen von Wissen gemeint. Neben dem Wissensmanagement kann PKM auch Elemente der Selbstorganisation aus dem persönlichen Informations- und Projektmanagement beinhalten, wie beispielsweise das Aufgabenmanagement und die tägliche Planung.

Historie

Als eigenständiger Begriff ist PKM noch relativ jung. Erstmals erwähnt wurde PKM 1999 in einer Publikation von Jason Frand und Carol Hixon. Vorläufer des heutigen PKM sind jedoch bereits in der Antike und der Renaissance zu finden.

Von der Antike über die Renaissance bis ins 19. Jahrhundert bewahrten Menschen Rezepte, Zitate, Sprichwörter, Briefe, Gedichte, Redewendungen, Gebete, Manuskripte und alles Sonstige von Interesse in einem sogenannten Kollektaneenbuch auf – auf Englisch auch Commonplace Book genannt und unter diesem Begriff eher geläufig. Der Begriff Commonplace leitet sich vom Lateinischen locus communis ab, was so viel bedeutet, wie Floskel oder Phrase.

Ein Commonplace Book ist eine private Sammlung von Informationen, um sich an nützliche Konzepte und Fakten zu erinnern. Es ist allerdings kein Tagebuch oder Reisebericht, sondern quasi eine Ergänzung dazu. Häufig wurden diese Kollektaneenbücher einfach fortlaufend chronologisch geführt und mitunter auch thematisch angelegt. Weltbekannt wurden die Notizbücher von Leonardo da Vinci oder vom englischen Dichter John Milton. Auch die Stoiker Seneca und Marcus Aurelius führten eine Art Commonplace Book, in das sie ihre Gedanken, Zitate anderer Denker und Philosophen, sowie ihre eigenen Meditationen notierten.

Ausschnitt aus den Notizbüchern von Leonardo da Vinci, Quelle: Explore Leonardo da Vinci’s notebooks: Codex Forster I

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts beschrieb der englische Aufklärungsphilosoph John Locke in A New Method of Making Common-Place-Books Methoden zum Erfassen von Zitaten, Ideen und Sprichwörtern und machte auch konkrete Vorschläge, wie man beim Sammeln die Informationen und Materialien nach Themen oder Kategorien einsortieren kann, indem man sogenannte Schlüsselthemen wie Theologie, Kunst oder Politik nutzt.

Kollektaneenbücher oder Commonplace Books gehörten demnach als private Notizensammlung zu den ursprünglichen Formen des persönlichen Informations- und Wissensmanagements.

Im 20. Jahrhundert kamen Zettelkästen in Mode. Dabei handelt es sich um eine Notizensammlung in Form von Karteikarten, die in einer bestimmten Art und Weise sortiert und nummeriert in den Schubladen meist eigens dafür angefertigter, hölzerner Schränke abgelegt wurden. Der Vorteil gegenüber einem Notizbuch war, dass durch das Nummerierungssystem der Karten und Schubladen Verweise von einer Karteikarte zu einer oder mehreren anderen möglich waren. Die wohl bekanntesten Zettelkästen stammen vom deutschen Soziologen Niklas Luhmann und vom belgischen Pionier des Informationsmanagements, Paul Otlet.

Zettelkatalog an der Universitätsbibliothek Graz, Bild von Dr. Marcus Gossler

In der heutigen Zeit unterstützen Apps wie beispielsweise Notion, Logseq, Joplin, Heptabase, Roam Research oder Obsidian – um nur einige wenige zu nennen – beim Aufbau eines digitalen PKM-Systems. Eine der zentralen Funktionen dabei ist die Möglichkeit zum Vernetzen von Informationen durch das Einfügen von Links zwischen ebendiesen, sodass Wissen entstehen kann.

Information versus Wissen

Wissen basiert im Unterschied zum Glauben auf Fakten und Regeln, die einen hohen Wahrheitsgehalt beinhalten. In der Philosophie wird jedoch diskutiert, ob überhaupt eine Definition von Wissen existiert. Wittgenstein ist beispielsweise der Auffassung, dass Wissen ein alltagssprachlicher Begriff ist, der keine exakten Grenzen hat.
Unabhängig davon sind für das Generieren von Wissen Informationen und Daten notwendig. Wissen entsteht dann, wenn diese Informationen und Daten verbunden werden können. Beispielsweise beim Lesen eines Buches sammelt man Daten und Informationen, indem man den gelesenen Inhalt in Notizen verarbeitet. Erst wenn man diese Notizen dann untereinander oder mit anderen Notizen bzw. Informationen verbindet, entsteht Wissen.

Outline of the Zettelkasten Process, von David Somerville erweiterte Grafik Information vs. Wissen von Hugh McLeod, 2014

Sobald man ein PKM-System nicht bloß zum Speichern und Vernetzen von Informationen benutzt, sondern auch zum Generieren von zusätzlichem, neuem Wissen – beispielsweise durch Schreiben – und für den Erkenntnisgewinn, spricht man von einer sogenannten ITE, einer Integrated Thinking Environment. Ryan J. A. Murphy hat diesen Begriff für PKM-Software in Anlehnung an die IDE – diese Kurzform steht für Integrated Development Environment – aus der Softwareentwicklung vorgeschlagen. Eine ITE ermöglicht nach Murphy neben dem Erfassen, Navigieren und Organisieren von Notizen auch die Transformation dieser Notizen in Wissen durch Kombination, Verlinken und Kuratieren. Darüber hinaus verfügt die ITE über Erweiterungsmöglichkeiten durch Plugins, damit man die ITE so gestalten und anpassen kann, dass sie das persönliche Wissensmanagement bestmöglich unterstützt.

Productive Knowledge Management

Ein PKM-System besteht also üblicherweise aus den Bereichen Informations- und Wissensmanagement. Ergänzt man dazu das Projektmanagement als dritten Bereich, wird dieses PKM-System zum Productive Knowledge Management-System. Durch das Zusammenspiel von Informations-, Wissens- und Projektmanagement bekommt man beispielsweise für die Schreibarbeit innerhalb der ITE auch die Möglichkeit, die damit verbundene Planung samt Termin- und Aufgabenmanagement ebenfalls zu bewerkstelligen.

Ein Productive Knowledge Management-System bildet also den Sweetspot in der Schnittmenge zwischen persönlichem Informations-, Wissens- und Projektmanagement und erfüllt im Idealfall auch die Voraussetzungen für eine Integrated Thinking Environment.

Ob man diese ITE auf mehrere Werkzeuge bzw. Apps verteilt, oder die Denkumgebung in einer App wie Obsidian aufsetzt, ist zum einen Geschmackssache und zum anderen auch eine Frage der persönlichen Arbeitsweise. Benutzt man als ITE ein Set aus mehreren Apps, sollte man stets darauf achten, dass die Informationen, die in den einzelnen Apps gespeichert sind, über die sprichwörtlichen Grenzen der jeweiligen App hinaus mit jenen in den anderen Apps der ITE vernetzt bzw. verlinkt werden können. Unter macOS gelingt das beispielsweise mit dem X-Callback-URL-Schema oder einer App wie Hookmark.

Fazit

Ein PKM-System aufzubauen, klappt nicht von heute auf morgen. Es braucht Übung, viel Übung. Idealerweise ist man mit ein paar Grundsätzen der Zettelkastenmethode vertraut, was aber nicht zwingend erforderlich ist. Jedoch sollte jedenfalls klar sein, was der Zweck ist, den das PKM-System erfüllen soll. Wird es eine Informations- und Notizensammlung, so wie die antiken und mittelalterlichen Commonplace Books. Oder wird das PKM-System als Integrated Thinking Environment aufgebaut. Natürlich kann man dabei auch schrittweise vorgehen und mit der Notizensammlung beginnen. Nach und nach können dann die weiteren Elemente hinzugefügt werden. In der vollen Ausbaustufe beinhaltet das PKM-System dann neben dem Informations- und Wissensmanagement auch das zugehörige Projektmanagement, das bei der Entwicklung neuer Ideen und dem Generieren von Wissen resp. bei der Schreibarbeit unterstützt. Das Kürzel PKM steht also nicht nur für Personal Knowledge Management, sondern auch für Productive Knowledge Management.