Produktivität

Agile Multi-Scale Planning

Agile Multi-Scale Planning ist ein mehrstufiger Planungsansatz für das persönliche Projektmanagement. Dabei erfolgt die Planung der Projekte und Aufgabenpakete in Anlehnung an das agile Projektmanagement vom Groben ins Feine, wird also von Stufe zu Stufe detaillierter. Dennoch bleibt man durch diese Art der Planung ausreichend flexibel, sodass auch genügend Spielräume für Kreativität und Improvisation vorhanden sind. Mit einem verlinkten Set an Notizen lässt sich das Agile Multi-Scale Planning in Obsidian gut umsetzen.

Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum, hat der aus der Schweiz stammende Publizist und Autor Robert Nef in seinem Zitatschatz für Planer und Verplante gemeint. Fälschlicherweise wird dieses Zitat gemeinhin Albert Einstein zugeschoben. Ungeachtet dessen steckt viel Wahrheit in diesem Satz. Denn jeder Plan basiert auf Annahmen über eine Zukunft, die nicht der Realität entsprechen muss und ist dann natürlich ein Irrtum. Aber ohne Planung ist man dem Zufall auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Also besser einen Plan machen, um zumindest eine Orientierungshilfe zu haben, die man dann eventuell – wenn einen der Zufall zu hart trifft – anpassen muss.
Um für die erforderlichen Anpassungen und Korrekturen flexibel genug zu bleiben, sollte man nicht zu genau planen. Denn eine hohe Genauigkeit engt ein und macht eben unflexibel. Das ist auch mit ein Grund, warum man sich bei komplexen Projekten im Bauwesen vom Groben ins Feine iteriert. Mit jedem Planungsschritt erhöht man den Detaillierungsgrad, was sich auch im jeweiligen Maßstab ausdrückt, mit dem das Bauwerk auf den Plänen dargestellt wird. Während die Detaillierung der Planung im Vorentwurf im Maßstab 1:200 noch relativ ungenau ist und man sich in dieser Phase noch auf wesentliche Systementscheidungen fokussiert, wird sie in der nachfolgenden Entwurfsplanung im Maßstab 1:100 schon deutlich detaillierter, um schließlich in der Ausführungsplanung auch alle notwendigen Angaben für die Umsetzung des Bauwerks auf der Baustelle bis ins kleinste Detail zu beinhalten – beispielsweise sogar Dimensionsangaben für Schraubverbindungen.

Einen ähnlichen, mehrstufigen Ansatz kann man bei der Planung im Rahmen des persönlichen Projektmanagements verfolgen. Also dann, wenn es um die Einteilung der eigenen Projekte und Aufgaben geht, um möglichst produktiv arbeiten zu können.

Multi-Scale Planning

Die Idee zum Multi-Scale Planning habe ich bei Cal Newport erstmals gesehen. Er verwendet ein wertebasiertes System mit mehreren Ebenen. Es gibt ein sogenanntes Core Document, das die Werte und Grundlagen beinhaltet, auf dem dann ein dreistufiges Planungssystem mit je einem Plan für ein Semester, eine Woche und einen Tag aufbaut. Das dreistufige System habe ich im Wesentlichen in den letzten Monaten übernommen, ein wenig an meine Anforderungen angepasst und in Obsidian als ein untereinander verlinktes Set an Notizen umgesetzt.

Mehrstufige Planung mit verlinkten Notizen in Obsdian

Quartalsplanung

Die gröbste Übersicht und sozusagen der Ausgangspunkt für ein mehrstufiges Planungssystem ist die quartalsweise Planung. Während ein ganzes Jahr, Halbjahr oder Semester einen zu langen Zeitraum darstellt, erscheinen mir drei Monate als Planungshorizont angenehm und passend. Ich halte mich dabei an die Kalenderquartale, doch es wäre auch egal, wenn man sich die Quartale anders einteilen möchte.

Der Quartalsplan ist eine Notiz in Obsidian und enthält die wichtigsten Prioritäten bzw. Projekte für die nächsten drei Monate. Darüber hinaus beinhaltet die quartalsweise Planung auch für jeden Monat eine grobe Einteilung der Aufgabenpakete in den jeweiligen Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen. Bei mir sind das natürlich meine beruflichen Tätigkeiten an der Fachhochschule und für iPROT, aber auch das Schreiben und private Agenden. Es erinnert ein wenig an einen Projektstrukturplan, allerdings in Listenform.

Quartalsplan in Obsidian

Dabei achte ich darauf, dass ich für jedes Quartal maximal drei Prioritäten bzw. Projekte festlege. Sozusagen für jeden Monat eine, allerdings kann es auch vorkommen, dass in jedem Monat eines Quartals an allen drei Prioritäten gearbeitet wird.

Wochenplanung

Die zweite Stufe bildet die Wochenplanung, die auf der Quartalsplanung aufbaut. Selbstredend, dass die Notiz für die Quartalsplanung auch alle Links zu den zugehörigen Wochenplänen beinhaltet und umgekehrt auch alle Notizen für die Wochenpläne jeweils einen Link zum zugehörigen Quartalsplan beinhalten.

In den Wochenplänen werden die im Quartalsplan definierten Aufgabenpakete detaillierter geplant, indem daraus konkrete Aufgaben für die jeweiligen Tätigkeiten abgeleitet werden. Dazu gibt es für jeden Tag der Woche ein Thema. Das kann beispielsweise für Montag das Schreiben sein und für Dienstag dann die Lehrtätigkeit an der Fachhochschule, etc. Manchmal habe gibt es auch zwei Themen an einem Tag. Es hängt ein wenig vom Rhythmus ab, der sich aus den Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen ergibt. Jeder Wochentag ist mit der zugehörigen täglichen Notiz für die Tagesplanung verlinkt. Übrigens erfolgt auch die Wochenplanung bei mir entlang der üblichen Kalenderwochen und von Montag bis Sonntag.

Wochenplan in Obsidian

Zudem werden über eine Tasks-Abfrage in einer Wochenvorschau auch alle Aufgaben von meiner Aufgabenliste angezeigt, deren Erledigung in der jeweiligen Woche bereits geplant sind.

Tagesplanung

Die Tagesplanung stellt die feinste, detaillierteste Ebene der dreistufigen Planung dar. Dafür verwende ich die tägliche Notiz in Obsidian. Diese tägliche Notiz ist – wie auch Wochen- und Quartalsplan – mit dem jeweils zugehörigen Wochenplan verlinkt.

Zentrales Planungsinstrument in der täglichen Notiz ist der Tagesplan. Dort werden die Aufgaben aus der Wochenplanung zwischen den Kalenderterminen (z.B. Lehrveranstaltungen, Besprechungen, etc.), täglichen Routinen und bereits geplanten Aufgaben von der Aufgabenliste eingetaktet.
Für diesen Tagesplan verwende ich eine Art digitales Bullet Journal. Aufgaben werden mit Checkboxen dargestellt und Termine mit Bullet Points. Termine wie Lehrveranstaltungen oder Besprechungen werden zudem mit der Highlight-Funktion optisch hervorgehoben. Sie bilden aufgrund der konkreten Uhrzeiten auch den zeitlichen Rahmen für die Tagesplanung. Das exakte Planen in Zeitblöcken habe ich im letzten November aufgegeben, denn es fühlte sich starr und unflexibel an. Die Aufgaben werden zwischen den Terminen als ungefähre Zeitplanung angeordnet. Das ist ausreichend genau und dazu ist die Funktion zum raschen Tauschen von Zeilen in Obsidian ziemlich praktisch.

Tagesplan in der täglichen Notiz in Obsidian

Die Aufgabenliste mit all jenen Aufgaben, deren Erledigung ich nicht vergessen sollte, wird über eine entsprechende Abfrage mit dem Tasks-Plugin automatisch generiert und in den Tagesplan eingefügt. In der Regel sind das kleinere Aufgaben, die nicht in Vergessenheit geraten sollen und an einem bestimmten Tage zur Erledigung fällig sind.

Agile Komponente

Im persönlichen Projektmanagement mit dem Multi-Scale Plannning-Ansatz spielen tägliche Routinen und das Planen in Zeitblöcken eine maßgebliche Rolle. Beides sind auch wesentliche Grundsätze und Konzepte aus Getting Results the Agile Way und Agile for Yourself von J.D. Meier. In diesem Kontext wird mit agil insbesondere auch die Flexibilität betont. Und zwar die Flexibilität der eigenen Planung, was beispielsweise das Verschieben von Aufgaben oder Prioritäten betrifft. Die Planung sollte also nicht als starre, anpassungsresistente und unbedingt zu befolgende Vorgabe betrachtet werden, sondern als durchaus flexible Leitlinie bzw. Orientierungshilfe. Ein gewisser Tagesrhythmus, so wie ihn sich auch Benjamin Franklin zurechtgelegt hatte, bietet dafür als Grundstruktur einen guten Rahmen.

Eine weitere Komponente, die ich für meine Interpretation des Multi-Scale Planning aus dem agilen Projektmanagement entlehnt habe, ist das Backlog. Grundsätzlich wird zwischen Product Backlog und Sprint Backlog unterschieden. Für das persönliche Projektmanagement kann vereinfacht betrachtet ein Backlog als eine sich dynamisch verändernde und anpassende Sammlung an Aufgaben und Projekten gesehen werden.

Als Grundlage für die Planung führe ich in Obsidian insgesamt drei Backlogs:

  • Aufgaben-Backlog: Für Einzelaufgaben, die nicht vergessen und stattdessen an einem bestimmten Tag erledigt werden müssen, führe ich eine sogenannte Just-do-it-Liste. Für dieses Aufgabenmanagement ist mir das Tasks-Plugin behilflich. Über entsprechende Abfragen werden die Einzelaufgaben direkt und automatisch in meinen Wochen- und Tagesplan eingefügt.
  • Notizen-Backlog: Schnelle und kurze Notizen zu Gedanken und Ideen werden vor allem unterwegs am Skizzenblatt festgehalten. Daraus entstehen dann bei der regelmäßigen Durchsicht Aufgaben oder Projekte.
  • Projekt-Backlog: Konkrete Projektideen sind in einzelnen Projektnotizen gespeichert und mit dem Schlagwort #Idee versehen. Eine als Lesezeichen gespeicherte Suche nach ebendiesem Schlagwort liefert eine Übersicht zu allen Projektideen.

Ausblick & Weiterentwicklung

Derzeit fehlt in meinem Agile Multi-Scale Planning noch die Reflexion. Dafür soll in nächster Zeit je ein eigener Abschnitt für den Wochenrückblick und den Quartalsrückblick in der jeweiligen Notizen ergänzt werden. In der Quartalsnotiz wird es zudem drei weitere Reflexionsabschnitte geben, nämlich für jeden Monat einen. Diese Reflexionen werden optisch als Callout in die Struktur der Wochen- und Quartalsnotizen integriert.

Fazit

In den letzten Monaten bin ich mit meinem Agile Multi-Scale Planning gut gefahren. Es ermöglicht aufbauend auf einer übersichtsartigen, strategischen Planung der Aktivitäten und Projekte auf Quartalsebene zu deren Umsetzung auch eine genauere, detailliertere Planung in Wochen und Tagen. Durch dieses dreistufige Planungssystem habe ich stets genug Orientierung und es ist nicht zu engmaschig, sodass ausreichend Spielraum für Kreativität und Improvisation vorhanden ist.
Selbst wenn sich herausstellt, dass die Pläne auf zu optimistischen oder pessimistischen Annahmen beruhen und somit – wie eingangs im Zitat erwähnt – einen Irrtum darstellen, kann mich der Zufall dennoch in der Regel nicht so hart treffen, dass ich den ganzen Wochen- oder Quartalsplan über den Haufen werfen muss. Natürlich gibt es Tage, an denen unvorhersehbare Dinge passieren – von Katastrophen auch im persönlichen Bereich mal abgesehen. Aber die dreistufige Planungshierarchie bietet eben ausreichend Flexibilität, damit solche Tage aufgefangen werden können. Denn im schlechtesten Fall wird ein Aufgabenpaket um eine Woche oder einen Monat verlängert, oder ein Projekt um ein oder zwei Quartale verschoben.

Die Vorlagen für den Quartals- und Wochenplan, sowie für die tägliche Notiz gibt’s hier zum Herunterladen. Für die tägliche Notiz ist auch ein Siri-Kurzbefehl zuständig, den man unter diesem Link herunterladen kann. Damit alle drei Vorlagen funktionieren, werden das Periodic-Notes-Plugin und das Tasks-Plugin benötigt.